Lobbyist in eigener Sache

Für alles gibt es Lobbyverbände: Für Kohle- und Kernkraftwerke, Pharmaforschung und Windräder, selbst für Frösche und Blumen setzen sich Verbände ein. Nur für eine Reform des Paragrafen 63 Strafgesetzbuch (StGB), der die Einweisung von Straftätern in die Psychiatrie regelt (und im Unklaren lässt, wie sie wieder herauskommen), tritt niemand an. Gustl Mollath ist daher zum Einmannlobbyisten in eigener Sache geworden.

Seine Geschichte, so sie zutrifft, ähnelt einem Albtraum: Mann sammelt Unterlagen über seine steuerhinterziehende Frau mit Verbindungen in die besten Kreise, die ihn daraufhin körperlicher Angriffe beschuldigt, um ihn loszuwerden. Voreingenommener Richter schickt ihn 2006 als gemeingefährlich auf Jahre in die Psychiatrie.

Am Dienstag trat Mollath vor dem Bayerischen Landtag auf, im Untersuchungsausschuss zu seinem Fall. Zwei Stunden lang nahm der Mann mit dem akkuraten Schnäuzer sein Verfahren präzise und ruhig auseinander und bat am Ende die Abgeordneten, wenigstens dafür zu sorgen, dass Menschen wie er statt in die Psychiatrie in die Sicherheitsverwahrung eines Gefängnisses gesteckt werden.

Das wäre als Konsequenz aus seinem Fall wenig. Heribert Prantl plädierte in der SZ für eine umfassende Revision des Paragrafen 63 StGB. Aber ebenso nötig wäre es wohl, über Richterauswahl und -kontrolle nachzudenken, die sich bei Mollath nicht als Elite, sondern als ebenso irrational und faul wie wir alle erwiesen haben. Die Akte, die Mollath im Verfahren vorlegte, habe er nie gelesen, sagte sein Richter vor dem Untersuchungsausschuss.

Am Mittwoch entschied das Landgericht Bayreuth, dass Mollath mindestens ein weiteres Jahr in der Psychiatrie bleiben muss. MARTIN REEH