LONDON statt nordirland
: G-8-Protestler unter sich

VON DANIEL ZYLBERSZTAJN

Wenn in London gegen Kürzungen im Sozial- und- Gesundheitssystem demonstriert wird, gehen Tausende auf die Straße. Gegen den G-8-Gipfel, der kommende Woche in Nordirland stattfindet, sind es diese Woche höchstens einige hundert gewesen. Unter ihnen viele, die ohnehin von einer Demo zur anderen reisen und gar nicht aus London kommen.

Ali kommt aus Köln. „In Strasbourg und Rostock, da war mehr Bewegung!“, urteilt der 26-jährige Politikstudent. Auch Dirk, 30, ist Deutscher, lebt aber seit einigen Jahren in England. Unter den Aktivisten kennt ihn fast jeder, denn er ist deren offizieller Sanitäter. Als die Polizei am Dienstag die „Zentrale“ der Anti-G-8-Leute stürmte, war Dirk als Rettungsarzt in Ausbildung sofort zur Stelle. „Ich habe bei einen 15-jährigen Spanier, den man mit einem Knüppel geschlagen hat, Traumaarbeit gemacht.“ Vom Polizeieinsatz war er überrascht: „In England geht die Polizei eigentlich weniger brutal vor als anderswo. Das sei auch der Grund gewesen, warum die Aktionen nach London verlegt wurden, wo der Gipfel gar nicht veranstaltet wird, und in der Woche vor dem Gipfel stattfinden. Es gibt aber auch Briten, die bei den Protesten dabei sind. Die 59-Jährige Emma aus Wales macht die gesamte Woche der Aktionen mit. „Ich bin hier als Vorbild für meine Kinder und Enkelkinder! Es ist toll, hier zu stehen und ‚Nein zur Rüstung“ zu sagen“, sagt sie.

Abends versammeln sich die Aktivisten im Ostlondoner anarchistischen Red Black Club. Man unterhält man sich über die Geschehnisse des Tages. Ein Mann, Mitte 40, verkündet plötzlich lauthals eine gute Nachricht: „Ich muss eine Ansage von Mum machen. Mum sagt, wir können ohne Probleme und Ausweis nach Nordirland fahren!“

London gibt sich unbeeindruckt. Zwar gab es ein paar Schlagzeilen, aber ansonsten bewegten die Aktivisten nur Journalisten und Polizisten.

Die Protestschlagzeile der Woche galt stattdessen einem Mann, der mit einer Farbsprühdose ein Porträt der Königin übermalte. Das hatte nichts mit der G 8 zu tun, sondern mit Fathers4Justice, einer Gruppe die sich für die Rechte von Vätern nach Scheidungsfällen einsetzt. Bei den Anti-G-8-Organisationen hat niemand an den Kampf der Väter gedacht.