Kunst, aber nicht um jeden Preis

Türkische Künstler in Berlin verurteilen die dänischen Mohammed-Karikaturen. Uneinig sind sie darüber, wie weit die künstlerische Freiheit gehen darf. Einige hoffen auf einen kritikfähigeren Islam

von Sandra Courant

„Das ist keine Kunst, sondern politischer Missbrauch von Religion.“ So kommentiert Birol Ünel die Mohammed-Karikaturen der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten. Der in der Türkei geborene Hauptdarsteller aus dem bekannten Film „Gegen die Wand“ empfindet die Zeichnungen als Hohn gegenüber Muslimen. „Der Respekt vor dem anderen ist wichtiger als Meinungsfreiheit oder künstlerische Freiheit.“

Wie Ünel verurteilen auch andere türkische Künstler in Berlin die Karikaturen. Allerdings herrscht Uneinigkeit darüber, wie weit die künstlerische Freiheit gehen darf. Jyllands-Posten hatte am 30. September zwölf Karikaturen veröffentlicht, die den Propheten Mohammed darstellen, und damit eine Welle gewaltsamer Proteste von Muslimen ausgelöst.

Für Hayati Boyacioglu ist es undenkbar, seiner Arbeit Grenzen zu setzen. „Ich kann und will alles zeichnen“, sagt der türkische Karikaturist. „Die Freiheit der Kunst besteht gerade darin, dass sie sich daneben benehmen kann.“ Die dänischen Karikaturen kritisiert Boyacioglu dennoch. „Sie sind nicht lustig, sondern plumb und nicht mal gut gezeichnet.“

Vom Humor der Karikaturen will auch Zafer Senocak nichts wissen. „Der Prophet mit einer Bombe im Turban, das ist keine Satire, sondern die Diffamierung einer Religion“, sagt Senocak. „Es ist wie mit antisemitischen Witzen, die können auch nicht lustig sein.“ Zwar verurteilt Senocak die dänischen Karikaturen, wünscht sich aber aus künstlerischer Sicht einen kritikfähigen Islam, der auch satirisch mit Religion umgehen kann.

„In der traditionellen islamischen Kunst gibt es weder Satire noch ironische Darstellungen“, sagt Claus-Peter Haase, Direktor des Museums für Islamische Kunst in Dahlem. Die Abbildung Mohammeds oder anderer Heiliger sei allerdings kein Tabu. Vielmehr habe das Bild an sich in der arabischen Welt einen größeren Stellenwert. Weil viele Muslime die Bilderflut des Westens ablehnten, nähmen sie ihre eigene Bildertradition nicht mehr wahr.

Die Darstellung des Propheten oder anderer religiöser Inhalte kommt für den Maler Hanufi Yeter nicht in Frage. Nach seinem Verständnis verbietet ihm das der Islam. „Die Freiheit des Künstlers ist nicht unbegrenzt“ sagt Yeter. „Kunst soll Menschen zusammführen und nicht trennen.“ Gerade das täten die Mohammed-Karikaturen nicht. Stattdessen erniedrigen sie Angehörige einer Religionsgruppe.“

Doch es ist nicht allein die künstlerische Ausdruckskraft der Karikaturen, aus der Gewalt resultiert. Darin sind sich alle Befragten einig. Viele Muslime fühlten sich vom Westen unterdrückt und herabgewürdigt. Genau das würde bestätigt. „Innerhalb des Islam werden auch Witze über Religion gemacht“, sagt Hayati Boyacioglu. Problematisch werde es erst, wenn Scherze oder Kritik von außen kommen. Sie werden als Angrif verstanden. Deswegen überlegt Boyacioglu trotz aller künstlerischer Freiheit, welche seiner Karikaturen er veröffentlicht. „Wenn ein dänischer Karikaturist in einer Zeitung seine Leser bedient, muss er wissen, dass auch ein Muslim in Pakistan mit nur einem Mausklick auf seine Zeichnungen zugreifen kann.“ Und Birol Ünel sagt: „Es ist absurd, in sensiblen Zeiten wie heute, noch mehr Öl ins Feuer zu gießen.“