Wahlfarce im Ausnahmezustand

Weil Nepals König die Regierung abgesetzt und die Presse- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt hat, boykottiert die Opposition die heutigen Kommunalwahlen

BOMBAY taz ■ In Nepal sollen heute neue Bezirksparlamente und Stadträte gewählt werden. Alleinherrscher König Gyanendra hat diesen Urnengang als einen ersten Schritt auf dem Weg zur Demokratie bezeichnet. Die meisten Politiker und wohl auch die Mehrheit der Bevölkerung betrachten die Wahlen dagegen als Versuch des Königs, seine vor einem Jahr erlangte diktatorische Macht zu festigen. Ein Bündnis der sieben wichtigsten Oppositionsparteien und auch die maoistischen Rebellen rufen zum Boykott der Wahlen auf. „Nepal darf nicht wieder in die finsteren Zeiten vor 1990 zurückfallen, als es noch keine parlamentarische Demokratie gab,“ meint der Politiker Amar Raj Kaini.

In den vergangenen Wochen fanden in der Hauptstadt Kathmandu fast täglich Proteste gegen die geplanten Kommunalwahlen statt. Das Regime des Königs ging mit harter Hand gegen die Demonstranten vor: Die Versammlungsfreiheit wurde aufgehoben, die Pressefreiheit eingeschränkt, hunderte von Politikern, Journalisten und Aktivisten wurden verhaftet. Während die Oppositionsparteien zum Wahlboykott aufrufen, bedrohen die maoistischen Rebellen Kandidaten mit dem Tod. Bereits zwei Kandidaten wurden getötet. Darauf zogen fast 650 Politiker ihre Kandidatur zurück. Für die insgesamt 4.100 zur Wahl stehenden Sitze in Stadträten und Bezirksparlamenten stehen damit jetzt nicht einmal 2.000 Kandidaten bereit. Viele Politiker sind untergetaucht, einige sollen nach Indien geflohen sein.

Im Vorfeld der Wahl verstärkten die Maoisten ihre gewalttätigen Aktivitäten. In der Nacht zu gestern starben sieben Polizisten und Soldaten bei einem Guerillaüberfall. In der Nacht zum Jahrestag der Machtübernahme Gyanendras am 1. Februar hatten Maoisten einen Militärstützpunkt, eine Polizeiwache, ein Gefängnis sowie mehrere Regierungsgebäude in der westlichen Kleinstadt Tansen überfallen und 20 Sicherheitskräfte getötet. Zusätzlich ordneten sie einen Generalstreik an, der sich über die gesamte Woche erstrecken soll und weitgehend befolgt wird – aus Wut über den König und aus Furcht vor Repressalien der Guerilla. Auch heute stand das öffentliche Leben in Kathmandu weitgehend still.

Am 1. Februar 2005 hatte König Gyanendra den Ausnahmezustand ausgerufen, die demokratisch gewählte Regierung von Premier Schah Bahadur Deuba abgesetzt und sich zum Alleinregenten erklärt. Der König begründete dies mit der prekären, durch den Krieg mit den Maoisten verursachten Sicherheitslage. Daraufhin schlossen sich die sieben wichtigsten Parteien zu einem Bündnis für Demokratie zusammen. „Der gemeinsame Protest hat die politischen Parteien geeint“, konstatiert Khadga Prasad Oli von der Kommunistischen Partei. Im September 2005 schlossen sie mit den Maoisten einen Pakt zur Wiederherstellung der Demokratie. Überraschend erklärten sich die Rebellen darin bereit, eine parlamentarische Mehrparteien-Demokratie und sogar eine zeremonielle Rolle des Königs zu akzeptieren. Bislang hatten sie das Ende der Monarchie gefordert.

In den vergangenen Tagen äußerten sich sowohl die EU als auch die USA besorgt über die Lage in Nepal und forderten König Gyanendra zur Rückkehr zur Demokratie auf. Die EU bezeichneten die jetzigen Wahlen „als weiteren Rückschritt für Demokratie“. Amnesty international und das Asiatische Zentrum für Menschenrechte mit Sitz in Delhi berichteten über die steigende Zahl schwerer Menschenrechtsverletzungen in Nepal. Nach dem „Putsch von oben“ vor einem Jahr verhängten die USA, Großbritannien und Indien ein partielles Waffenembargo. Dänemark und Schweden suspendierten die Entwicklungszusammenarbeit. REGINE HAFFSTEDT