Pakt mit dem Papst stürzt die Regierung

Die Christdemokraten in der Slowakei verlassen die Koalition. Der Grund: Der Regierungschef weigert sich, eine mit dem Vatikan vereinbarte Klausel zu ratifizieren. Neuwahlen scheinen der einzige Ausweg. Expremier Mečiar wittert Morgenluft

VON ULRIKE BRAUN

Vorzeitiges Aus für die slowakische Regierung. Gestern erklärte die Christdemokratische Bewegung (KDH) ihren Austritt aus der rechtskonservativen Regenbogenkoalition von Ministerpräsident Mikuláš Dzurinda und kündigte an, sie werde die Vertrauensfrage stellen. Drei KDH-Minister der Ressorts Inneres, Bildung und Justiz reichten ihren Rücktritt aus dem Kabinett ein, der KDH-Vorsitzende Pavol Hrušovský verließ seinen Posten als Parlamentspräsident. Premier Mikuláš Dzurinda reagierte prompt: Wenige Stunden nach dem Austritt der KDH aus der Koalition schlug er vorgezogene Parlamentswahlen vor

„Die Regierung ist böse. Die KDH wird in keiner bösen Regierung sein“, erklärte der KDH-Vorsitzende Pavol Hrušovský den Austritt seiner Partei aus der Koalition. Nicht ein Pakt mit dem Teufel, sondern kein Pakt mit dem Papst liegt dem zugrunde: Die Christdemokraten verlassen die Bühne der Regierung, weil diese sich weigert, eine Gewissensklausel zu ratifizieren, die schon vor vier Jahren mit dem Vatikan geschlossen wurde. Diese Klausel sollte es Katholiken ermöglichen, gewisse Handlungen aus Gewissensgründen abzulehnen. So sollten katholische Ärzte sich weigern dürfen, Abtreibungen durchzuführen oder Medikamente zur Empfängnisverhütung zu verschreiben.

Katholiken dürften demnach zu nichts gezwungen werden, was ihrem Glauben widersprechen könnte, sei es nun Wehrdienst oder Sonntagsarbeit. Die Klausel sei „schlecht“, befand Dzurinda auf Drängen der Christdemokraten und lehnte es ab, sie zu unterstützen. Allerdings hatte er mit dieser Entscheidung die Mehrheit der Fünf-Parteien-Koalition auf seiner Seite. Außer den Christdemokraten war nur noch die Partei der Ungarischen Koalition (SMK) für die Abmachung mit Rom, die Justizminister Pavol Lipšic 2002 mehr oder weniger im Alleingang geschlossen hatte.

Jetzt soll Dzurinda dafür geradestehen: „Die KDH wird nicht Teil einer Regierung sein, die von einem wortbrüchigen Menschen geführt wird. Für die weitere Entwicklung im Land übernimmt Mikuláš Dzurinda die Verantwortung,“ schimpfte Ober-Christdemokrat Hrušovský.

Bleibt die Frage, ob der Streit um die Gewissensklausel nicht nur einen – wenn auch guten – Vorwand für die Christdemokraten darstellt, das sinkende Schiff der slowakischen Regierungskoalition endgültig zu verlassen. Die wird nämlich zeit ihres Bestehens seit 2002 von Problemen und Rücktrittsdrohungen erschüttert. „Die Krise der Moral ist ein langfristiges Problem“, meinte Hrušovský in einem BBC-Interview im vergangenen Herbst. Vorzeitige Wahlen wären die ehrenvollste Lösung, schlug er damals vor. Reguläre Wahlen zum Nationalrat, dem 150-köpfigen slowakischen Einkammerparlament, waren für den September dieses Jahres geplant.

Dass die brüchige Koalition es geschafft hat, erst sieben Monate vor den Wahlen zu zerfallen, ist schon ein kleines Wunder an sich. Schon kurz nach ihrer Entstehung im Jahre 2002 lag sich die Koalition zum ersten Mal in den Haaren. Damals stritt man sich um Nominierungen für den Aufsichtsrat der Slowakischen Elektrizitätswerke. Aus Protest weigerte sich die KDH, eine Gesetzesnovelle zu unterstützen, was ein Loch von umgerechnet fast 100.000 Euro in den Staatshaushalt riss.

So ging es munter weiter. Man stritt sich über undurchsichtige Geschäfte des Pavol Rusko von der Koalitionspartei ANO, nur um ihn später zum Wirtschaftsminister zu ernennen und sich dann zu wundern, dass er weiterhin fragwürdig blieb. Wegen des millionenschweren Medienmoguls Rusko kam es im vergangenen Sommer zur schwersten Regierungskrise. Als Wirtschaftsminister hatte der einem Unternehmer Wechsel in Höhe von rund 2,5 Millionen Euro unterschrieben. Erst auf Drängen und Drohen der Christdemokraten schmiss Dzurinda den umstrittenen Rusko aus seinem Kabinett.

Der direkteste Weg aus dem Chaos und den Scharmützeln in der slowakischen Innenpolitik sind Neuwahlen. Schon ist klar, dass die Regierung bei Abstimmungen nicht auf ihre Koalitionspartner zählen kann. Stattdessen verlässt sie sich immer mehr auf Unabhängige, um die erforderliche Mehrheit von 76 Stimmen zusammenzubekommen.

Gemunkelt wird, dass Stimmen von Abgeordneten auch gerne mal gekauft werden. Was wäre eine deftige Regierungskrise in der Slowakei ohne einen alten Bekannten. Vladimír Mečiar, einst der mächtigste Mann des Landes und Ministerpräsident mit diktatorischen Gepflogenheiten, wittert wieder Morgenluft. Mečiar, der bei den Parlamentswahlen 1998 von Mikuláš Dzurinda entmachtet worden war und der die Präsidentschaftswahlen 2004 schmachvoll gegen seinen ehemaligen Mitstreiter Ivan Gašparovič verlor, hat wieder Hoffnung auf Amt und Würden.

Seine Partei, die Bewegung für eine demokartische Slowakei, wolle keine Neuwahlen, sondern würde die Regierungskoalition in ihrer dezimierten Form unterstützen. Im Gegenzug, so hofft Mečiar, könne er sich den Posten des Parlamentspräsidenten ergattern, der durch den Abgang Hrušovkýs frei geworden ist.