schrumpfgebiet
: Schleichende Gefahren

Niemand kann sagen, er hätte nicht Bescheid gewusst. Dass die deutsche Bevölkerung schrumpft, altert, keine Kinder mehr bekommt und deshalb unsere sozialen Sicherungen zusammenkrachen, analysieren Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten. Auch die von der Bertelsmann-Stiftung vorhergesagte Ruhrgebiets-Misere ist eine lange angekündigte Katastrophe – die genau deshalb keine sein muss.

KOMMENTAR VON MIRIAM BUNJES

Demographische Entwicklungen haben allerdings eine besondere Tücke: Sie lassen sich nicht umkehren. Dass seit den 80ern immer weniger Menschen Kinder großziehen wollen, ist bereits passiert. Deshalb muss sich jede Stadt in Deutschland mit einer älter werdenden Bevölkerung abfinden und sich auf sie einstellen.

Weil der Prozess im Ruhrgebiet weiter fortgeschritten ist als in der gesamten Bundesrepublik, ist der Wandlungsbedarf dort wesentlich akuter. Hinzu kommt, dass nicht nur die Jugend das Revier verlässt, sondern mit ihr auch das Geld. Dadurch werden die Handlungsspielräume der sowieso verschuldeten Kommunen kleiner: Sie können weniger investieren. Und wer wenig investiert, zieht auch weniger private Investoren an. Ein Kreislauf, der im fortlaufenden Prozess immer undurchdringlicher wird. Zudem müssen diese Städte einen Großteil der Integrationsarbeit leisten, da auch der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund zunimmt.

Alleine kann das Ruhrgebiet die angekündigte Katastrophenlogik nicht durchbrechen. Es muss mehr in Bildungsarbeit für sozial Benachteiligte investiert werden, der Städtebau für Weggezogene attraktiver gemacht werden. Der Ministerpräsident fordert mehr Wettbewerb im Revier. Dafür muss er erst mehr Chancengleichheit schaffen. Das wird sich auch für NRW auszahlen. Wenn die Familien aufs Land ziehen, muss dort eine neue Infrastruktur geschaffen werden, obwohl es sie andernorts schon gibt.