Brasilianische Elefanten

INFRASTRUKTUR Großevents statt Menschenrechte

Für die großen Sportveranstaltungen mussten viele Menschen vor allem aus Armenvierteln ihre Häuser verlassen, ein Bericht spricht von bislang über 9.000 Familien

RIO DE JANEIRO taz | In der Großstadt Belo Horizonte begannen die jüngsten Proteste früher als im Rest des Landes. Kurz nach Montagmittag versammelten sich rund 25.000 Demonstranten. Ihr Ziel: das Mineirão, das neue Fußballstadion der Stadt.

Die Polizei stoppte den Protestmarsch mit Gewalt. Denn am Nachmittag sollten dort Nigeria und Tahiti spielen, das vierte Spiel des Confederations Cup, der Generalprobe für die Fußball-WM im kommenden Jahr. Gegenüber dem Fußballweltverband Fifa hatte sich Brasilien verpflichtet, jegliche Störung der Spiele und alle Art politischer Äußerungen zu unterbinden.

Trotz ihrer Fußballbegeisterung sind die Brasilianer nicht gut zu sprechen auf die Ausrichtung der WM. Über 10 Milliarden Euro Steuergelder wird der Spaß verschlingen. In allen zwölf Austragungsorten wurden neue Stadien errichtet oder bestehende renoviert. In vielen Städten gibt es jetzt wunderschöne Sportstätten für bis zu 60.000 Zuschauer, obwohl sie nicht einmal Zweitligamannschaften haben. Die Rede ist von Weißen Elefanten – Fehlinvestitionen, die in Zukunft weder genutzt noch der Bevölkerung zugutekommen werden.

Die für das Spektakel neu gebauten Straßen und Schnellbuslinien orientieren sich auch nicht an einer vernünftigen Stadtplanung, sondern verbinden lediglich die Stadien mit den schicken Tourismuszentren oder Flughäfen. Viele Menschen vor allem aus Armenvierteln mussten dafür ihre Häuser verlassen, ein Bericht der WM-kritischen Bewegung spricht von bislang über 9.000 Familien.

Bisher war es der Bewegung, die die Menschenrechtsverletzungen infolge der sportlichen Großereignisse anprangert, nicht gelungen, in der breiten Öffentlichkeit präsent zu sein. Erst die inhaltliche Überschneidung mit den Protesten gegen Fahrpreiserhöhungen hat die Lage zugespitzt. Auch die Kritik an Korruption und fehlender Transparenz ist ein gemeinsames Merkmal. Die Funktionäre des brasilianischen Fußballverbands CBF gelten als ebenso korrupt – wenn nicht gar kriminell – wie die Herren der Fifa.

Die Regierung hat allen Auflagen der Fifa bereitwillig zugestimmt. Ein extra Fifa-Gesetz sichert dem transnationalen Unternehmen exklusive Vermarktungsrechte zu, lokale Händler dürfen nicht mal in die Nähe der Stadien kommen. Sogar Bier darf entgegen lokalen Gesetzen in den Stadien verkauft werden, solange die Fifa das Sagen hat.

ANDREAS BEHN