Plauderwut der Geister

Thomas A. Edison wollte Botschaften aus dem Jenseits konservieren. Das Künstlerhaus hilft

Wer braucht schon Bilder? Sein Phonograph, meinte Erfinderpapst Thomas Alva Edison, würde die Fotografie überflüssig machen, wenn es darum geht, die Toten im Bewusstsein der Lebenden zu halten. Mit der stanniolbezogenen Walze, auf der die Lautschwingungen als Kerben festgebannt sind, wollte er Stimmen und letzte Botschaften von Sterbenden konservieren. Seine eigenen letzten Worte hat die Legende auch ohne Phonograph bewahrt: „Es ist sehr schön dort.“

Einen Blick in das Reich dort drüben zu werfen, habe den Mit-Entwickler des elektrischen Stuhls zeitlebens gereizt, heißt es. Und er war nicht der einzige, der – von der Nachwelt als Ikone von Rationalität und Fortschritt gefeiert – in den trüben Gewässern der Parapsychologie fischte. Astronomie-Pioniere des Humanismus waren begeisterte Alchemisten, Ärzte und Physiker an der Schwelle zur Moderne besessen von der Idee, Geister dingfest zu machen.

Aus dieser Spannung lebt die virtuos beklemmende Installation „Mary hat ein kleines Lamm“ der Bremer Künstler Claudia Kapp und Michael Rieken. Sie zieht dem Betrachter im Wortsinn den Boden unter den Füßen weg: Das Tageslicht ausgesperrt, die eigenen Schritte lautlos auf dickem Schaumstoffgrund. Das Neonlicht, einladend wie im Pathologiesaal, tanzt irritierend. Sind es Zufallsgeräusche, die man da hört? Kündigen sie etwas an? Übermitteln sie eine Botschaft? Türenquietschen, Poltern und Klopfen, ein quälend lang gezogener, hochfrequenter Summton. Dazwischen eine unverständliche menschliche Stimme: Die Aufnahme des Kinderreims „Mary had a little lamb“ von Edisons Phonographen, hörbar ungeeignet, um der Nachwelt etwas Brauchbares zu hinterlassen. Das Klopfen wird rhythmisch, wie das Klappern einer Schreibmaschine oder eines Telegrafen – beides übrigens Erfindungen, an denen Edison gefeilt hat. Oder wie der Code eines plauderwütigen Geistes, der sich auf einer spiritistischen Sitzung Gehör verschafft.

Kapp und Rieken sind Meister der wohligen Gänsehaut. Sie spielen mit den ausgeträumten Träumen der Technikhistorie ebenso wie mit dem Schauer, für den das Zeitalter von „Dracula“ und Jack the Ripper immer gut ist. „Mary hat ein kleines Lamm“ sperrt die Gegenwart aus. Man möchte lange so lümmeln und lauschen und rätseln und sich gruseln. So muss Kunst auch mal sein. Annedore Beelte

Bis 19. März im Künstlerhaus