: Enteignung der Herrschaftsbilder
DEKO Die Ausstellung „Macht zeigen“ im DHM demonstriert, wie sich die Mächtigen gern mit Kunst schmücken und wie man sich dieser Vereinnahmung entziehen kann
VON TOM MUSTROPH
Die Macht sucht die Maler. Das war schon früher so. Das idealisierte Abbild von Fürsten und Königen sollte Eindruck schinden bei den Untertanen. Kunstspezifische Kenntnisse konnten aber auch für eine überlegene Position bei der elitären Konkurrenz sorgen. Der französische König Franz I. beschämte etwa bei einer Führung durch seine Grande Galerie den nicht ganz so raffinierten Kaiser Karl V.
Bei den aktuellen Mächtigen erkennt der Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich ähnliche Muster. Er hat darüber das Buch „Mit dem Rücken zur Kunst“ verfasst und jetzt im Deutschen Historischen Museum (DHM) die Möglichkeit erhalten, seine Thesen dreidimensional auszubreiten. In der Ausstellung „Macht zeigen – Kunst als Herrschaftsstrategie“ demonstriert er, wie gern sich Politiker und Manager von edler abstrakter Kunst und von einstmals revoltierenden neuwilden Leinwänden rahmen lassen. Dieser Wahl liegen zwei bildstrategische Überlegungen zugrunde. Vor abstrakter Kunst wirkt auch ein nur mittelmäßig aussehender Mensch attraktiv, notiert Ullrich. Vor expressiven Farbtafeln hingegen können Politiker „ihre hinreichende psychische Stabilität“ unter Beweis stellen, die es ihnen gestattet, „mit dem Chaos, dem Unsinn, den Beliebigkeiten in den Werken der Künstler spielend fertig zu werden“, zitiert er Bazon Brock.
Weil Gerhard Schröder das kapiert hat, sieht man ihn vor einem von Georg Baselitz kopfüber aufgehängten und mächtig zerzausten Adlerflügel sitzen. Auch Klaus Wowereit setzt auf die Masche der Chaos-Beherrschung und platziert sich vor einem von Rainer Fetting grob hingeworfenem Musikerbildnis. Wirtschaftsbosse hingegen bevorzugen abstrakte Farbflächen. Der Energieriese Eon vereinnahmt geradezu die intensiven roten Farbflächen des Rupprecht Geiger und reduziert den großen Abstrakten zum simplen Imagetransferdienstleister
Einen anderen Weg schlägt Guido Westerwelle ein. Der Frontmann der blau-gelben Krawallgruppe hat sich schon vor zehn Jahren für die blonden Jünglinge Norbert Biskys interessiert. Seine Vorliebe zu diesen trotz all ihrer Potenz bereits traumatisiert wirkenden Adonissen inszeniert Westerwelle gern öffentlich. Er organisierte extra einen Fototermin anlässlich eines Bisky-Ankaufs.
Der dekorative Neorealismus der Leipziger Schule knüpft an die Bildtraditionen der alten Meister an, überführt diese aber in das fragmentierte zeitgenössische Lebensgefühl. Kein Wunder, dass auch die Kunstdepots der Banken, die sich nicht ausschließlich für Abstraktes entscheiden, von dieser Strömung durchspült sind.
Es verblüfft, dass Angela Merkel diesen ostdeutschen Exportschlager noch nicht für sich nutzt. Sie ist ikonografisch konventionell verfasst. In ihrem Büro hängt ein Adenauer-Porträt von Kokoschka. Diese Stammhalter-Linie, in den 70er-Jahren etwa noch von Helmut Schmidt mit einem Bebel-Porträt im Rücken verfolgt, ist heutzutage nur mehr bei kleineren Privatbanken verbreitet.
Auf eine interessante Hybrid-Strategie verfielen die Deutschbänker. Mächtig ragen die Schädel von Kopper, Breuer und von Heydebreck aus einem wandgroßen Foto des Künstlerduos Clegg & Guttmann. Sie zeigen sich als ganz ihrer Macht bewusste Alphatiere, die sich vollständig von ihren Vorgängern entkoppelt fühlen. Ihr Auftritt freilich ist in ein so düsteres Ambiente gesetzt, dass diese Mächtigen nicht mehr für Herrscher, sondern für sinistre Verschwörer gehalten werden müssen. Die Deutsche Bank wollte diese Bilder im Übrigen nicht zur Verfügung stellen. Doch das Künstlerduo hatte sich die Verfügungsgewalt über zwei Varianten der Auftragsarbeit vertraglich zusichern lassen.
Diese juristische Raffinesse steht für einen Quantensprung im Bewusstsein der Künstler. Ließen sich die Fetting und Baselitz, Lüpertz und Immendorf noch voll blähenden Stolzes in King Gerds Tafelrunde integrieren, so sucht sich die jüngere Generation der kompletten Vereinnahmung zu entziehen.
Die radikalste Position nimmt Verena Landau ein. Als sie bemerkte, dass der damalige Vorstandsvorsitzende der HypoVereinsbank sich so vor einem ihrer „Pasolini Stills“ positionierte, dass man den Eindruck haben konnte, er sei komplett in die Szenerie eingetaucht, entwickelte sie eine Wiederaneignungsstrategie. In der 13-teiligen Bildserie „Kunstraub_Kopie“ schildert sie, wie sie die Bank betritt, die mit der Präsenz des Bänkers kontaminierte Leinwand abnimmt und damit auf die Straße geht. „Ich habe eine Verantwortung für das Bild, auch gegenüber Pasolini“, meint sie. Landau entschied sich später, nicht mehr an Banken zu verkaufen. Als ein Galerist dies dennoch tat – die Regeln des Kommissionshandels erlaubten ihm dies trotz des Einspruchs der Künstlerin – setzte sie den Verkaufserlös für bankkritische Aktivitäten ein. Sie stieß auf ein Kreditgeschäft der Bank mit dem russischen Ölmulti Lukoil, der ein umstrittenes Ölfeld in der zum Unesco-Welterbe gehörenden Kurischen Nehrung betreibt. Landau finanzierte und realisierte dort ein Kunstprojekt, das auf die Gefahren hinweist. Ihr Engagement in russisch-deutschen Energiefragen bildet einen bemerkenswerten Kontrapunkt zu dem von Immendorf vergoldet dargestellten Gazprom-Berater Schröder eingangs der Ausstellung.
Das Interessante an „Macht zeigen“ sind daher nicht die recht durchschaubaren Strategien zeitgenössischer Herrschaftskunst, sondern der Paradigmenwechsel bei den Künstlern. Sie beißen die bornierte Hand, die sie füttert. Das ist doch mal eine gute Botschaft.
■ „Macht zeigen – Kunst als Herrschaftsstrategie“. DHM Berlin, bis 13. Juni, Katalog 24 €
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