Moderne durch Etatkrise

Weil 1950 für einen neo-klassizistischen Theaterneubau das Geld fehlte, konnte Münster jetzt das 50-jährige Bestehen eines weltweit anerkannten „Donnerschlags der Moderne“ feiern

AUS MÜNSTERMARCUS TERMEER

Januar 1953. Der Rat der Stadt Münster entscheidet sich enthusiastisch für einen Theaterneubau von jungen Architekten. „Völlig überraschend“ sei das einhellige Votum der Gutachterkommission gewesen, sagt Axel Schollmeier vom Stadtmuseum heute noch. Denn für den biederen Landstrich sei das Gebäude aus Beton, Glas und Stahl damals eher ein „Donnerschlag der Moderne“ gewesen. Vor genau 50 Jahren, am 4. Februar 1956, wurde der Bau von Harald Deilmann, Max Clemens von Hausen, Ortwin Rave und Werner Ruhnau feierlich eröffnet und gab natürlich Anlass zu einer Jubiläums-Gala im aufgeputzten Stadttheater zu feiern – moderiert von den 1950er-Jahre- Show-Ikonen Alice und Ellen Kessler.

Eigentlich hätte Münster ein neues Theater im Stil des „großdeutschen“ monumentalen Neoklassizismus erhalten sollen. Den Plänen des Architekten Edmund Scharf stimmte der Rat der Stadt bereits 1950 einmütig zu. Nur eine akute Etatkrise verhinderte die Ausführung. Schon 1941 hatte Scharf einen Neubau des gerade von Bomben zerstörten Lortzing-Theaters (erbaut Ende des 19. Jahrhunderts) geplant, der sich noch klarer an den Vorstellungen Hitlers und Albert Speers orientierte. Scharf, von 1938 bis 1945 engster Mitarbeiter des Stadtbaurats Peter Poelzig und bis 1961 selbst noch Stadtbaurat, war federführend beim Wiederaufbau des zerstörten historischen Prinzipalmarktes. Heraus kamen weitgehend einheitliche Giebelfassaden in einem hauptsächlich monumental-flächigen, fiktiv-historischen Stil, ein „Gesamtkunstwerk“ zur Repräsentation der heute noch sehr einflussreichen Kaufmannschaft. Der Wiederaufbau orientierte sich – abzüglich natürlich des geplanten NS-Gauforums am Aasee – an den Plänen, die Poelzig und Scharf sich 1944 noch von Speer hatten absegnen lassen. Das störte im Nachkriegs-Münster niemand.

1952 entwarf Scharf dann eine kleinere Version des Theaterneubaus. Die aber wurde nun, im Zeichen des Kommunalwahlkampfs und des Abtritts des alten Oberstadtdirektors Karl Zuhorn, vom Rat abgelehnt, freie Architekten verlangten einen Wettbewerb – und spätestens durch einen weiteren konservativen Vorschlag animiert, legten Deilmann, Hausen, Rave und Ruhnau in nur sechs Wochen ihren Aufsehen erregenden Plan vor: Ein Gebäude diagonal zur Straßenkreuzung mit einem transparenten elliptischen Theaterturm, innen hufeisenförmig umgeben vom Foyerbau. Transparenz sollte auch im Innern herrschen. So gibt es, beeinflusst von den Ideen Erwin Piscators, keine Unterbühnenmaschinerie, alles sollte sichtbar sein. Und der Zugang führte demokratisch durch ein einziges Treppenhaus: Münster war in der Moderne angekommen.

Die Eröffnung war aber erst einmal der Prominenz, darunter der damalige NRW-Ministerpräsident Karl Arnold (CDU), vorbehalten. Das gemeine Volk hatte erst am folgenden Tag zu Mozarts „Zauberflöte“ Zutritt. Das neue Stadttheater machte aber dennoch weltweit als eigenständige Architektur der Moderne Furore. Auch das dokumentiert die Ausstellung „Donnerschlag 1956. Das neue Theater in Münster“ im Stadtmuseum bis Mai.

Wirtschaftlich scheint es bergauf zu gehen. Noch vor der Jubiläums-Gala verkündete Intendant Wolfgang Quetes, dass man die Zuschauerzahlen um über 12.000 habe steigern können. Und das angesichts der im CDU/FDP-regierten Münster grassierenden Spardebatten und Gerüchten über die Abschaffung des Tanztheaters.