UNGLÜCKLICH VERLIEBT: Für zwei
Als ich mit der Frau im Kino saß, in die ich unglücklich verliebt war, lief ein Werbespot über die Leinwand, in dem die Frau, in die ich mich vor dieser Frau unglücklich verliebt hatte, die Hauptrolle einnahm. Eine jung aussehende Schauspielerin. Es war ein Werbespot für Kondome, in dem sie einen jungen Mann küsste. Groß. Auf Leinwand. Ich krümmte mich auf dem Sessel.
Meine Begleitung hatte die Füße zusammengestellt. Sie roch nach Erdnüssen. Während des Films, einer dümmlichen Klamotte, die in Hamburg spielte, schaute sie mich nicht einmal an; ich schielte mindestens fünfmal in ihr Gesicht. Nach dem Kino fuhr sie mich nach Hause. Auf einen Drink hatte sie keine Lust.
Als ich sie das letzte Mal sah, waren wir zum Essen verabredet. Sie war spät. Das war nicht weiter ungewöhnlich, die Frau hatte die Angewohnheit, sich erst zum vereinbarten Termin aufzumachen. Waren wir für acht Uhr verabredet, verließ sie pünktlich um acht Uhr das Haus. Ich saß an einem Zweiertisch und wartete. Vor den Fensterscheiben, draußen in der Eiswelt, feindeten sich zwei Hunde an. Ich hatte schon bestellt, für zwei, ich wusste, was sie nehmen würde, sie nahm immer dasselbe. Jedenfalls in diesem Restaurant. Ein geduckt gehender Kellner servierte. Er sah mir die Unsicherheit an, sagte aber nichts. Bayerische Menschen unterhielten sich an den Nebentischen. Mein Mobiltelefon gab keinen Piep von sich.
Ich wartete mit dem Essen auf sie. Sie kam nicht. Ich aß meine, dann die Hälfte ihrer Portion, Entrecôte, Zwischenrippenstück vom Rind, kein Double, benutzte eine Serviette, stand auf und ging. Ich ging davon und schaute mich, schon entfernt, nach dem Restaurant um, wo ich sie jetzt hineingehen sah. Sie war eine Stunde zu spät. Ich malte mir aus, wie sie auf ihren halb leer gegessenen Teller schaute, dann auf den vollständig leeren Stuhl vor ihr und dann auf die Rechnung.
RENÉ HAMANN
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