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Securities in städtischer Mission

ÜBERWACHUNG In der Limmerstraße in Hannover-Linden, wo man sich nachts zum Abhängen („Limmern“) trifft, lässt die Stadt einen privaten Sicherheitsdienst Patrouille gehen

Samstagnacht, um die 20 Grad. Die weißen Bänke vor der „Bar“ in der Limmerstraße in Hannover-Linden sind voll belegt. Das Café schließt abends, die Plätze davor sind auch danach begehrt. Gut 20 Leute, Endzwanziger, Pappbecher mit Weißweinschorle, sogar Eiswürfel haben sie dabei. Die Männer in schwarzen Jacken, die eng an der Hauswand entlang an der Gruppe vorbeigehen, registrieren sie nicht.

Nur von hinten ist zu erkennen, wer sie sind: „Stolzenburg Security“ prangt auf ihren Rücken. Seit April ist auf der Limmerstraße wochenends und vor Feiertagen ein privater Sicherheitsdienst unterwegs, engagiert von der Stadt. Von 18 bis zwei Uhr patrouillieren zwei Securities durch die verkehrsberuhigte Straße. „Deeskalierend“ sollen sie auftreten, so formuliert es die Stadt, auf „die Regeln hinweisen“. Denn von Leuten wie der Truppe vor der „Bar“ fühlt man sich in Linden zunehmend gestört.

Hunderte zieht es in warmen Nächten in die Limmerstraße, quasi das Zentrum des Szenestadtteils Linden, der Keimzelle alternativen Lebens in Hannover. Kopfsteinpflaster, Altbauten neben Siebziger-Jahre-Betonklötzen, Cafés, Kneipen, Bioläden, Supermärkte, das Apollo-Kino ist eines der ältesten Programmkinos bundesweit. Tagsüber kauft man hier ein, nachts trifft man sich zum „Limmern“: Bier trinken, quatschen, rumsitzen auf Bänken, Simsen, Surfen. Eine Runde Limmern ist mittlerweile fester Bestandteil bei Kneipentouren für Studienanfänger zum Semesterbeginn.

Die Polizei unterscheidet drei Gruppen: Anwohner, Obdachlose und „Personen aus der Trinkerszene“, „Partyvolk“. Statistiken gebe es keine, erklärt ein Polizeisprecher. „Gefühlt“ habe sich die Zahl der Limmernden in den vergangenen Jahren aber erhöht.

Und daran reiben sich Anwohner und Gewerbetreibende. 46 Prozent von ihnen fühlen sich mindestens einmal am Tag gestört, ergab 2012 eine Befragung im Auftrag des Stadtbezirksrats Linden-Limmer. Alkoholkonsum, „Rumlungern“, Lärm, Müll, Verunreinigungen durch Urinieren waren die meistgenannten Störungen. Darüber beschwerten sich nicht nur die „Schickimicki-Cappuccino-Bar-Leute“, sondern „alteingesessene Lindener, die nachts nicht mehr schlafen können“, wie Bezirksbürgermeister Rainer-Jörg Grube betont.

Ein Alkoholverbot, wie es Lokalpresse und CDU immer wieder fordern, lehnt die rot-grünregierte Stadt bislang ab. Auch Forderungen nach einem abendlichen Alkohol-Verkaufsverbot in der Limmerstraße wurden verworfen. An Hannovers Hauptbahnhof erwies sich das zuvor schon als wirkungslos: Drei Monate lang verzichteten die Bahnhofs-Einzelhändler 2011 auf Alkoholverkäufe. Das Fazit: Weder Straftaten noch der Alkoholkonsum sanken. Körperverletzungen und Bedrohungen häuften sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sogar.

An der Limmerstraße setzt die Stadt stattdessen auf die Securities. Tagsüber sind zudem Sozialarbeiter unterwegs, zwei Lokale stellen ihre Toiletten kostenlos zur Verfügung. „Wir wollen, dass die Limmerstraße eine lebendige Straße bleibt und sich die Leute weiter vergnügen können“, sagt ein Stadtsprecher. Nur zur „Belästigung für andere“ dürfe das nicht werden. Bis Oktober laufen die Maßnahmen, dann soll evaluiert werden, ob sie wirken.

Die Security-Leute tragen Jeans und Turnschuhe, sie haben weder Schlagstöcke noch Handschellen am Gürtel. Ein paar Bänke weiter singt ein Mädchen laut und schief, die Bierflasche gen Himmel gereckt. Die Securities ziehen vorbei, immer noch eng an der Hauswand entlang, den Blick auf den Boden gerichtet.

„Wenig bedrohlich“ sollen sie wirken, sagt der Stadtsprecher, „keine schwarzen Sheriffs“. Vor „martialischem Auftreten“, das eher provozierend wirken könne, hatte die Gewerkschaft der Polizei schon früh gewarnt. Hoheitliche Befugnisse übernehmen die Sicherheitsleute aber nicht. Nur sogenannte Jedermann-Verhaftungen dürfen sie durchführen und wie jeder andere mutmaßliche Straftäter festhalten, bis die Polizei kommt.

Was das bringt, mögen weder Stadt noch Polizei nach zwei Monaten bilanzieren, zumal die „stärker frequentierten Sommermonate mit gutem Wetter gerade erst beginnen“. Die Sicherheitsleute hätten „häufig geschlichtet“ und „nur in seltenen Einzelfällen“ die Polizei einschalten müssen, heißt es von der Stadt. An diesem Samstag kommt die Polizei in der Limmerstraße zwei Mal hinzu: Zur Übergabe einer Fundsache und für eine PersonenkontrolleTERESA HAVLICEK

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