Für Obama braucht man Geduld

Mr President in town

Obama sagt, wir werden gar nicht individuell ausgespäht. Dann ist ja gut

Die Entfernung zwischen dem Bundespresseamt am Reichstagufer und dem Kanzleramt beträgt rund 400 Meter – Luftlinie. Für die JournalistInnen im Bus könnten es ebensogut 40 Kilometer sein. Seit einer Stunde sitzt ein Teil der Hauptstadtpresse an diesem Mittwoch vorm Bundespresseamt und wartet darauf, die 400 Meter zur Pressekonferenz von Kanzlerin und US-Präsident gebracht zu werden. Andere Annäherung unmöglich – die Sicherheitsvorkehrungen, Barack Obama, die abgeriegelte Innenstadt, Sie wissen schon.

Aufwendig genug war es tags zuvor, überhaupt an Eintrittskarten für die Obama-Ereignisse zu gelangen. Jubelnd grüßt die Kollegin von Zeit Online: eine seltene Akkreditierung für das Michelle-und-Töchter-Programm! Die Kollegen, die ans Brandenburger Tor dürfen, werden angesichts der 33-Grad-Celsius-Prognose nicht beneidet.

Im Bus verweist der Mann vom Bundespresseamt darauf, dass es nun Wasser beim Fahrer gebe. Mit einer gewissen verhohlenen Empörung – wenigstens das! – werden Flaschen durch die Reihen nach hinten gereicht.

Vielleicht ist es kein Skandal, wenn JournalistInnen, die Geschöpfe der schnellstmöglichen Nachrichtentransportation, selbst einmal nicht schnellstmöglich transportiert werden. Moderne Medien lassen außerdem jede Wartestunde mit Bloggen und Twittern überbrücken. Im Kanzleramt eine weitere Stunde Wartezeit: Auf der Damentoilette wurde ein Ring gefunden! Großes Hallo.

Da sitzen sie mit verschwitzten Hälsen: die Leute, die dafür bezahlt werden, die Republik über ihr politisches Wesen aufzuklären. Jeden Morgen entscheiden sie sich zwischen einem halben Dutzend Themen, die zu recherchieren lohnen. Nie reicht die Zeit, um sich wirklich in das Waffenhandeldossier oder die Mietpreisproblematik einzulesen. Und wie genau hat der US-Geheimdienst nun unser aller Daten ausgespäht? Ach, egal.

Die Hauptstadtjournalisten, sie gehen durch ein Metalltor. Es erkennt ihre Akkreditierungskarten – deshalb leuchtet plötzlich das eigene Konterfei auf einem Monitor auf. Es erinnert daran: Erfasst ist garantiert nicht nur der Foto-Datensatz.

Doch alle spielen mit, jeder hofft, der 45-minütigen Pressekonferenz den eigenen Dreh abgewinnen zu können, Mehrwert fürs eigene Medium herauszuschinden. Obama sagt, wir werden gar nicht individuell ausgespäht. Dann ist ja gut. Mitschreiben. ULRIKE WINKELMANN