Fahrrad-Porträts

TOUR Zwei Männer, zwei Räder, zwei Jahre, 6.000 km, 500 Fotos – die Geschichte einer Reise und die Dokumentation Südafrikas. Aber auch ein Aufruf zum Radfahren

John Jacobs: „Von 1974 bis 1987 war ich in unterschiedlichen Gefängnissen. Ich war ein schwieriger Kerl. Aber jetzt bin ich für den Rest meines Lebens anständig. Jeden Winter verpfände ich mein Rad im Leihhaus, weil ich dann kein Geld habe. Wenn ich wieder Geld habe, hole ich es zurück.“

VON MARCEL BALT

Jafta Pietersen: „Ich habe 71 Jahre in Prince Albert in der Provinz Kapstadt gelebt. Jetzt bin ich 75 Jahre alt. Ich bin all diese Jahre mit meinem Rad gefahren. Ich fahre nicht gern mit Autos und solchen Dingen … Ich fahre mit dem Rad 10, 12 oder 20 Kilometer von Farm zu Farm.“

Im Jahr 2010 brachen der Designer Nic Grobler und der Fotograf Stan Engelbrecht zu einer zweijährigen Reise auf. Anfangs hatten sie kein spezifisches Anliegen oder Ziel, aber am Ende eine sehr besondere Sammlung von Lebensgeschichten gewöhnlicher SüdafrikanerInnen und ihrer starken Beziehung zu ihren Fahrrädern.

Johan Schade: „Dieses Rad habe ich seit 14 Jahren. Es wurde als Geländerad benutzt, es wurde fast verschrottet. Mein Freund musste mich einmal mit dem Motorrad abschleppen – wir brachten es auf 140 Kilometer Geschwindigkeit. Dann brach das Vorderrad und ich flog über Felder.“

Stephanie Baker: „Ich fahre nicht mehr weiter als einen Kilometer, aber, ja, ich nutze mein Rad. Zumindest kann ich so etwas mehr von der Schönheit meiner Umgebung sehen. Dieses Rad steht mir gut. Es ist inzwischen alt und auch ich bin fast 83 Jahre.“

„Man fährt einfach los und entdeckt was, und das führt dann zum nächsten Schritt“, sagte der 33-jährige Grobler. „Das Wichtigste ist, anzufangen, einfach loszugehen.“ Grobler und Engelbrecht sind mehr als 6.000 km durchs Land gefahren und haben über 500 Porträts gesammelt. In ihrem dreibändigen Werk, das 2012 veröffentlicht wurde, sind 162 dieser Porträts versammelt, ein Spiegel der ganzen Nation.

Jors Moentsabato: „Mein Fahrrad nutze ich sehr. Wohin ich auch gehe, ich fahre immer und überall mit dem Rad. Ich habe das Rad in einem Gebrauchtwaren-Laden gefunden und dann sofort gekauft …“

Grobler meinte, es sei nicht sehr schwer gewesen, Kontakt zu den Leuten zu bekommen, auch nicht, sie zu fotografieren. „Die anderen FahrradfahrerInnen haben sofort positiv reagiert“, sagte er. Nach der Publikation von „Fahrrad-Porträts“ besuchten Grobler und Engelbrecht die FahrradfahrerInnen, die sie vorgestellt hatten, und brachten ihnen ein Exemplar ihres Werks mit. So konnten diese SüdafrikanerInnen sehen, dass sie Teil einer wachsenden Gemeinde von FahrradfahrerInnen waren, und das war für die beiden Autoren der größte Lohn für ihre Arbeit.

Martin „Silky“ Afrika: „Ich habe zwei von diesen hohen Rädern gebaut. Ich nahm dazu einen Rahmen und drehte ihn um. Es sind keine zwei Räder übereinander, sondern ein umgedrehtes Rad. Ich schneide die Rohre ab und füge welche hinzu, wie ich es brauche. So baue ich ein hohes Rad.“

Mit den „Fahrrad-Porträts“ haben die Autoren erreicht, was sie wollten: SüdafrikanerInnen bekommen Einblick in das Leben anderer SüdafrikanerInnen. „Damit haben wir das gefeiert, was es schon gibt“, sagt Grobler.Mittlerweile laufen in Australien, Brasilien (projetotransite.com.br) und Deutschland („We are Traffic“) ähnliche Projekte.

Aus dem Englischen von Heike Brandt

Alle Fotos: bicycleportraits.co.za