HAITI: ALLEIN WIRD PRÉVAL KEINE SOZIALEN VERBESSERUNGEN ERREICHEN
: Der Präsident braucht Hilfe von außen

Die Arbeitslosen und Analphabeten – fast zwei Drittel der Bevölkerung von Haiti – fordern Essen und bessere Unterkünfte. Mehr nicht. Hoffnung verbinden sie mit einer Präsidentschaft René Prévals auch deshalb, weil es keine Geschichten über Korruption in seiner ersten Amtszeit gibt. Das gilt in Haiti schon als eine Auszeichnung.

Préval steht vor einem Berg von Problemen. Ex-Hoffnungsträger Jean-Bertrand Aristide hat keinen „Frieden im Magen und im Kopf“ gebracht. Der Putsch von Exmilitärs, Todesschwadronmitgliedern und dubiosen Söldnern, der zu seiner zwangsweisen Abdankung führte, hat das Land zerrissen. Die Interimsregierung erwies sich als derartig unfähig, dass die UN sie am liebsten vergessen möchte. Und mit der Stationierung von Blauhelmen hat die erste unabhängige Republik Lateinamerikas ihre Souveränität verloren.

Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an das neue Staatsoberhaupt: Die Armen erwarten von Préval die Befriedigung ihrer elementarsten Bedürfnisse. Die wenigen fortschrittlichen Kreise innerhalb der haitianischen Bourgeoisie dagegen hoffen, dass der studierte Agraringenieur das Lumpenproletariat aus den Slums in Schach hält.

Wenn die schon längst bewilligen internationalen Gelder tatsächlich nicht mehr für schicke, blank polierte Vierradfahrzeuge, für Hybridreis, der die eigene Reisproduktion unwirtschaftlich macht, oder für luxuriöse Villen und teure ausländische Investmentberater und Consulting-Firmen ausgegeben werden, dann gibt es vielleicht tatsächlich demnächst mal wieder gute Nachrichten aus dem „Land der Berge“. Bisher jedoch hat die haitianische Bourgeoisie noch nie jemanden in einem Staatsamt akzeptiert, der ihre Raffphilosophie nicht teilt. Nur wenn die internationale Gemeinschaft es schafft, diese Herrschaften in Schach zu halten, hat Präsident René Preval vielleicht eine kleine Chance. HANS-ULRICH DILLMANN