Ausgegrenzten Stimme geben

HEIMSKANDAL Die taz hat mir einer Geschichte über profitorientierte Heime im Brandenburgischen andere Medien, Politik und Justiz mobilisiert. Gut so!

Ersten Hinweisen ging Kaija Kutter, Redakteurin der taz.nord in Hamburg, bereits im Dezember vorigen Jahres nach. Im Frühjahr kam Kai Schlieter, Reporter und Ressortleiter des Recherchepools in der taz, hinzu. Es galt, aus der Sprache des Bäuerlichen genommen, einen Misthaufen zu lichten. Zustände zu erhellen, die sich im Brandenburgischen abspielen, an denen auch Personen aus Hamburgs Sozialbetreuungselite beteiligt waren und sind.

Am vorigen Samstag erschien schließlich ihre Recherche: „Das Heim der gequälten Kinder“ stand auf dem Titel der taz.am wochenende – über die Haasenburg GmbH in Brandenburg, eine gewinnorientierte Sozialeinrichtung, in der Jugendliche und Kinder in teilweise geschlossenen Verhältnissen leben und krassester Pein ausgeliefert waren.

Die öffentliche Reaktion ließ nicht lange auf sich warten; mittlerweile prüft die Staatsanwaltschaft die Einleitung eines Verfahrens; Zeitungen, Fernsehen und die elektronischen Medien berichteten, Nachrichtenagenturen setzten sich auf die Fährte des Missstands in einem gesellschaftlichen Bereich, der sonst nicht so häufig im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit steht. Ein Blick auf die Kinder und Jugendlichen, die in schwierigen Ursprungsfamilien aufwuchsen und bei denen dem Staat nichts anderes mehr einfällt, als sie in geschlossene Einrichtung zu sperren. An notwendigen Enthüllungen wie dieser erweist sich, was guter Journalismus sein kann: Hinter geschlossenen Türen zu schauen. Um jenen Menschen Respekt zu zollen, die in diesen Verhältnissen nichts sind als – stumm gemacht.

Der Scheinwerfer, der durch die taz-Recherchen nun auf diese nicht-staatlichen Einrichtung geworfen wird, ist einer, der so zur taz gehört wie die Tatze auf dem Titelblatt. Denn über die Schönen und Reichen kann jedes Blatt berichten – aber die Lebensbedingungen der amtlich Abgeschobenen und lieblos Verwahrten im Blick zu behalten, gehört zum Markenkern der taz eben selbst.

Und zwar, wie man dem faksimilierten Ausriss aus einer der ersten taz-Ausgaben des Jahres 1979 auf dieser Zeitungsseite entnehmen kann, von Anfang an. „Der alltägliche Skandal“ ist meist heute noch einer. Liegen die Heime am Heiligensee oder inzwischen im Brandenburgischen – Skandalisierung heißt für uns dann Medialisierung. Möge das den Betroffenen nützlich sein!

Die taz hat ihr Spektrum erweitert – und die meisten LeserInnen schätzen das sehr. Ökologisches jenseits von Klimawandelanalytischem oder Glamouröses umreißen Themenspektren, die auch in der taz geschätzt werden. Geschäftemacherei jedoch auf Kosten von Schwachen: Ehrensache für diese Zeitung, solchen Zuständen publizistisch besonders intensiv zu Leibe zu rücken. JAN FEDDERSEN

Fragen zur taz-Recherche? ausdertaz@taz.de