Préval will Haiti versöhnen

In Haiti hat der Aristide-Vertraute René Préval die Präsidentschaftswahlen deutlich gewonnen

AUS SANTO DOMINGO HANS-ULRICH DILLMANN

Der Gewinner der haitianischen Präsidentschaftswahlen gibt sich zurückhaltend. Am Wahlabend tanzte René Préval vor seinem Wohnhaus im kleinen Ort Marmelade im Norden des Landes zusammen mit einer Gruppe von RaRa-Musikern nach der traditionellen Musik des Landes. Keine vorgezogene Siegesfeier – Haitis Bevölkerung feiert jedes Jahr im Februar Karneval.

Sonderkorrespondenten aus den USA verfolgten jede Bewegung des 63-jährigen Agraringenieurs, versuchten ihn immer wieder zu einer Stellungnahme zum Wahlausgang zu animieren – vergeblich. Und auch nachdem die ersten offiziellen Zahlen vom Provisorischen Wahlrat in Port-au-Prince veröffentlicht wurden und ihm eine absolute Mehrheit – von rund 60 Prozent – bei den Präsidentschaftswahlen verkünden, hüllt sich der Spitzenkandidat von Lespwa, der „Hoffnung“-Partei in Schweigen.

Seine unterlegenen Konkurrenten reden dafür umso mehr. Leslie Manigat, ein 75 Jahre alter Exdiplomat ist wütend. „Es ist ärgerlich, dass er es im ersten Wahlgang geschafft hat“, erklärt ein Sprecher aus der Umgebung des Exdiplomaten, der in der Interimsphase nach der Flucht des Jungdespoten „Bady Doc“ Duvalier für fünf Monate das höchste Staatsamt bekleidet hat, bis ihn Militärs wegputschten. Sogar in Manigats vermeintlicher Hochburg, dem eher bürgerlichen Petion-Ville, stimmte die absolute Mehrheit für René Préval.

Und der 50-jährige Textilunternehmer Charles Henry Baker, der mit „Ordnung, Disziplin und Arbeit“ das Armenhaus Lateinamerikas aus der Krise führen wollte, benennt hilflos die chaotischen Zustände zu Beginn des Urnengangs als Erklärung für Prévals Wahlsieg. Als Drittplatzierter ist er selbst aus dem Rennen, wenn denn die absolute Mehrheit Prévals doch noch im letzten Moment zusammenschmelzen und es zu einem zweiten Wahlgang kommen sollte.

René Préval hat das höchste Staatsamt bereits einmal bekleidet, zwischen 1996 und 2001. Er ist der einzige Präsident in der Geschichte Haitis, der es geschafft hat, seine fünfjährige Amtszeit zu beenden, und die Staatsschärpe persönlich seinem Nachfolger, damals Aristide, zu überreichen.

Als Préval 2001 den weißen Amtssitz im Zentrum Port-au-Prince verließ, kehrte er in das Haus seiner Großmutter zurück, nach Marmelade, mit seinen 12.000 Einwohnern. Während sich die Gewaltspirale immer schneller drehte und die Proteste gegen seinen Kampfgefährten Aristide zunahmen, wurde es um Préval merklich still. Er widmete sich regionalen Entwicklungsprojekten, in die Politik mischte er sich nicht ein. Und nach der erzwungenen Abdankung Aristides schien er sich ganz in der Provinz verkrochen zu haben.

Jetzt setzten viele haitianische Wähler ihre „Hoffnung“ auf den Mann aus Marmelade. Sie hoffen, dass er seine wenigen Versprechungen einlöst, die er während seines Wahlkampfs quer durch das „Land der Berge“ gemacht hat: Er werde „soziale Gerechtigkeit“ bringen und vor allem dass von Gewalt gebeutelte „Land versöhnen“. Vor allem soll er aber den mehr als fünf Millionen Armen in den ländlichen Regionen und den städtischen Ballungsgebieten Arbeit und Einkommensmöglichkeiten schaffen.

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