SPD obenauf in Rheinland-Pfalz

Der Elektrotechniker Kurt Beck und seine SPD hängen den Popularitäts-Philosophen Christoph Böhr (CDU) wieder ab

MAINZ taz ■ Nur noch gut sechs Wochen bis zu den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz. Und bei der Union ist die bislang demonstrativ zur Schau gestellte Zuversicht, die SPD diesmal bezwingen zu können, argem Katzenjammer gewichen: Die Sozialdemokraten liegen nach der letzten, vom SWR in Auftrag gegebenen Umfrage mit 42 Prozentpunkten in der Wählergunst jetzt wieder 6 Prozentpunkte vor der CDU; zuletzt lagen bei Parteien nahezu gleichauf bei 37 Prozent.

Gegenwind kommt aber auch aus der eigenen Partei – und zwar direkt aus der CDU-Zentrale in Berlin. Engste Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätten durchsickern lassen, dass sich die SPD in Rheinland-Pfalz keine Sorgen machen müsse: „Beck gewinnt die Wahlen“. So kolportierte es Bild am Sonntag süffisant. Die Pfälzer Genossen fanden das selbstredend witzig. „Im Landtagswahlkampf 2001 sagte Bundeskanzler Helmut Kohl, der Böhr kann es nicht. Im Landtagswahlkampf 2006 sagt Bundeskanzlerin Merkel, der Böhr wird es nicht“, ließ die SPD mitteilen.

Rheinland-Pfalz ist neben Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern eines von drei Flächenländern, in der die SPD noch den Ministerpräsidenten stellt. Kurt Beck weg – große Koalition futsch? Das wäre ein Szenario, das sich die Bundeskanzlerin nicht wünschen kann. Doch auch ohne die diskreditierenden Randbemerkungen aus Kreisen um Merkel sind die Chancen der Union auf einen Sieg in Rheinland-Pfalz inzwischen kleiner geworden. Die FDP nämlich, der 8 Prozent prognostiziert werden, entschied sich nach langem Zögern – für eine Koalitionsaussage zugunsten der SPD.

Mit einem Sympathiewert von 2,3 Punkten führt der gelernte Elektrotechniker und SPD-Ministerpräsident Kurt Beck die Rangliste der beliebtesten Landespolitiker unangefochten an. Der Doktor der Philosophie Christoph Böhr liegt mit 0,2 Sympathiepunkten abgeschlagen noch hinter dem FDP-Spitzenkandidaten Hans-Artur Bauckhage. Böhr bestätigt somit die akute Relevanz seiner erst 2000 fertig gestellten Dissertation: „Popularität als Programm und Problem“. Die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz ist ohnehin eine Personenwahl – kontroverse Themen sind Mangelware. Alle rufen nach mehr Bildung und mehr Geld für Familien; nur Böhr macht zusätzlich und wohl aus Verzweiflung wieder populistisch Stimmung gegen Ausländer, respektive Anhänger des Islam. Genutzt hat ihm das schon vor fünf Jahren nichts.

Vor den Grünen braucht sich Beck nicht zu fürchten. Die wollen zwar „7 Prozent plus x“, doch „programmatische Schnittmengen“ mit anderen Parteien sieht Spitzenkandidatin Ise Thomas allenfalls mit der SPD. Schwarz-Grün ist kein Thema in Rheinland-Pfalz. Nicht bei den Grünen, und auch aus den Reihen der Union war nur direkt nach der Bundestagswahl der Ruf nach Schwarz-Grün laut geworden.

Ärgern könnte Beck allenfalls noch die WASG. Doch deren Protagonisten und die der Linkspartei lecken sich noch immer ihre Wunden. Vorbehalte gegen eine Fusion kommen in Rheinland-Pfalz vor allem von Mitgliedern der Linkspartei (PDS). Es gab Streit bei der Listenaufstellung. Der zur Kooperation mit der WASG fest entschlossene und wegen der angeblich „destruktiven Haltung“ auch von Vorstandsmitgliedern der Linkspartei verärgerte Kreisverband Pirmasens der Linkspartei trat danach geschlossen aus der Partei aus – und der WASG bei. „Es gibt noch zu viele Sektierer bei der Linkspartei“, begründete Frank Eschrich aus Pirmasens der taz seinen Wechsel. Für die Wahl rechnet er mit 5 Prozent, vorhergesagt sind nur 4.

Sollte die WASG tatsächlich den Sprung in den Landtag schaffen, und SPD und FDP zusammen nicht die Mehrheit der Sitze im Landtag erringen, würden die Karten in Mainz noch einmal neu gemischt. Wahrscheinlich ist das nicht.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT