Reaktionärer Provokateur mit Freizeit

Wie es Flemming Rose denn finde, als „reaktionärer Provokateur“ abgestempelt zu werden. Wollte die Kollegin von der linken Information von dem Journalisten wissen, der bis Donnerstag Chef des Kulturressorts der Jyllands-Posten (JP) war. Das war bei einem Interview im November, sieben Wochen nachdem Rose die zwölf Mohammed-Karikaturen ins Blatt gebracht hatte. Und unter die ein Zeichner ein Kuckucksei gelegt hatte. In Gestalt der Zeichnung eines kleinen Jungen, der auf eine Schultafel deutet, auf der in arabischen Schriftzeichen steht: „Die JP-Redakteure sind ein Haufen reaktionärer Provokateure.“ Was die Zeitung arglos veröffentlicht hatte.

„Kreativ gedacht“ sei das sicher gewesen, erklärte Rose damals tapfer: „Aber natürlich hat der Zeichner nicht Recht.“ Und der Kulturchef gab seiner Überzeugung Ausdruck, dass die durch die Zeichnungen ausgelöste Debatte „eine der wichtigsten war, die wir 2005 hatten“. Der Sturm schien damals abgeflaut zu sein. Eine fatale Fehleinschätzung, wie sich bald erweisen sollte. Ähnlich fatal lag Rose nun mit dem von ihm angekündigten Abdruck von Holocaust-Karikaturen daneben. Ein Missgriff, der ihm wohl den Chefposten kosten dürfte. Denn, so JP-Chefredakteur Carsten Juste: „Wir wollen niemand an unserem ethischen Standard zweifeln lassen.“

Wegen seiner internationalen Erfahrung wurde dem 50-Jährigen mit Uniabschluss in russischer Literatur im Januar 2005 die Leitung des Kulturressorts übertragen. 1990 war er für die Berlingske Tidende als Korrespondent nach Moskau gegangen und 1996 nach Washington. 1999 kehrte er nach Moskau zurück, diesmal für Jyllands-Posten. Die „Demokratisierung der islamischen Welt“ ist für ihn neben dem Einzug Chinas und Indiens in die globale Marktwirtschaft das „Thema unserer Zeit“. Kommunismus, Faschismus und Islam wirft Rose in den gemeinsamen „Totalitarismus“-Topf. In der Szenerie eines bereits mit aller Kraft ausgefochtenen „Kulturkampfs“ sympathisiert Rose offen mit Daniel Pipes, eine der lautesten antiislamischen Stimmen in den USA.

Roses Beurlaubung dürfte bei JP nicht die einzige personelle Konsequenz des Karikaturenskandals bleiben. Scharfe Kritik aus dem eigenen politischen Lager der Zeitung wird nun laut. Deren „selbstherrliche Kommentare“ bewiesen, dass sie noch nicht in den Zeiten der Globalisierung angekommen sei, sondern „immer noch am Dorfteich sitzt“, schrieb Exaußenminister Ellemann-Jensen. Kaum weniger vernichtend ist die bislang noch hinter vorgehaltener Hand geäußerte Kritik aus der dänischen Wirtschaft, von deren Anzeigen das Blatt lebt.

REINHARD WOLFF