dolce vita in bad nauheim – von RALF SOTSCHECK
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Ein Frühstück in einem italienischen Café zu bestellen gehört zu den risikoärmeren Unterfangen, sollte man annehmen. In der Cafféteria Dolce Vita in Bad Nauheim kommt es jedoch anders. Der Kurort gehört zu den ältesten Städten Deutschlands, wenn man das Durchschnittsalter seiner Einwohner als Maßstab nimmt. Das Kaff wurde berühmt, weil Elvis Presley Ende der Fünfzigerjahre ein Foto von sich vor dem Stadttor Bad Nauheims als Plattencover verwendete. An der Stelle, an der Elvis für das Foto posierte, hängt heute das Plattencover.

Presley war damals in der US-Kaserne in Friedberg stationiert, musste dort aber nicht übernachten, sondern durfte in Bad Nauheim wohnen. Das Dolce Vita gab es zu seiner Zeit noch nicht, sonst hätte er womöglich die Kaserne vorgezogen. Schon bei der Frühstücksbestellung kommt es zum ersten Missverständnis. Ich möchte kein Graubrot, sondern lediglich ein Brötchen. Kurz darauf steht ein riesiger Korb mit sieben Brötchen vor mir – sonst nichts. „Aber sie sagten doch, dass sie nur Brötchen wollten“, erklärt die erstaunlich große und dünne Kellnerin. Der Rest des Frühstücks wird einzeln nachgeliefert: Butter, Ei, Käse, Wurst. Schließlich erhalte ich sogar ein Besteck.

Dermot und Petra, meine Mitreisenden, sind früher aufgestanden als ich und bestellen deshalb das Lunch-Menü: Suppe, Pasta und Nachtisch. Der erste Gang wird nahezu korrekt serviert: eine Suppe und ein Salat. Was aus der zweiten Suppe geworden ist, stellt sich heraus, als es Zeit für die Pasta wird. Es gebe ein Problem, erklärt die lange Dünne: Der Ofen sei nach dem Aufwärmen der Suppe kaputt gegangen, jetzt gebe es nur noch kalte Speisen. Am Nachbartisch flucht unterdessen eine ältere Dame halblaut vor sich hin. Das sei ein Stammgast, sagt die Bedienung. Dermot und Petra schnappen die Worte „Pasta“, „eiskalt“ und „ungenießbar“ auf und beschließen, direkt zum Nachtisch, der Schokoladentorte, überzugehen. Leider gibt es dafür zur Zeit keine sauberen Teller. Ob wir ihr vielleicht beim Geschirrspülen zur Hand gehen können, um die Sache zu beschleunigen?

Der Kuchen ist dolce, extrem sogar, aber Vita hat man ihm ausgetrieben. Dermot und Petra würgen die Zuckerbombe tapfer hinunter, als die Dünne auftaucht und strahlend verkündet: „Der Ofen funktioniert wieder. Darf ich jetzt die Pasta servieren?“ Lieber nicht, winken Dermot und Petra ab. Sie würden den Laden auch ohne Pasta in Erinnerung behalten. Die Kellnerin sieht so unglücklich aus, dass wir uns Sorgen machen. „Wäre euch das nicht peinlich“, fragt sie, „wenn alles schief geht?“

Als die Rechnung kommt, merke ich an, dass der Orangensaft nie serviert wurde. „Natürlich“, stimmt die Bedienung zu, „der Ofen war ja kaputt.“ Muss der frisch gepresste Saft erst aufgetaut werden, oder wie wird ein solches Getränk in Bad Nauheim hergestellt? „Wir waren doch alle wegen des Ofens völlig durcheinander“, erklärt sie. Weil die gesamte Belegschaft wegen der Verkettung von Missgeschicken tief zerknirscht ist, gehen wir am nächsten Morgen erneut ins Dolce Vita zum Frühstück – auch in der Hoffnung auf eine Fortsetzung der Pannenshow. Es klappt alles tadellos. Wie enttäuschend.