Berlusconi bleibt nur noch die Krise

POLITIK Die Regierung bleibt stabil, betont der Verurteilte. Dabei setzt er alles auf Destabilisierung. Bei den Wählern kommt das an

ROM taz | Stein und Bein schwört Berlusconi, dass das gerade gegen ihn ergangene Urteil „keinerlei Folgen“ für die Stabilität der Regierung unter Enrico Letta hat. Einer Regierung, an der die Berlusconi-Rechte beteiligt ist – und der sie jederzeit den Stecker rausziehen kann. Doch niemand in Rom glaubt diesen Schwüren: Allzu offenkundig ist, dass Berlusconi selbst von einer Regierungskrise und baldigen Neuwahlen nur profitieren kann.

Denn schon im Herbst droht ihm eine weitere, diesmal letztinstanzliche Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung. Die würde ihm zudem den Verlust seines Parlamentsmandats eintragen. Die Hoffnung im Berlusconi-Lager, die Bildung der Links-rechts-Koalition in Rom, gerne auch als „Regierung der Pazifizierung“ bezeichnet, werde auch die Mailänder Richter gnädiger stimmen, hat sich zerschlagen.

Da bleibt nur die Flucht nach vorn: eine Regierungskrise mit dann unvermeidlichen Neuwahlen. Ein Vorwand ist auch schon gefunden. Seit Mai verkündet das Berlusconi-Lager, es unterstütze die Regierung nur, wenn diese erstens die erst 2012 wieder eingeführte Grundsteuer auf selbst bewohnte Eigenheime wieder abschafft und wenn sie zweitens die eigentlich anstehende Mehrwertsteuererhöhung um einen Prozentpunkt auf dann 22 Prozent aussetzt.

Schatzminister Fabrizio Saccomanni wiederholte bisher gebetsmühlenartig, die dafür notwendigen 8 Milliarden Euro jährlich seien nicht da. Und die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) des Ministerpräsidenten Letta sperrt sich gegen eine generelle Abschaffung der Grundsteuer auch für Wohlhabende.

Parallel zu den Prozessterminen Berlusconis stehen deshalb in dieser Woche diverse Krisensitzungen der Koalition an – und von Tag zu Tag werden die nicht finanzierbaren Steuersenkungsforderungen der Rechten ultimativer. Zugleich hat Berlusconi selbst erklärt, er werde in den nächsten Tagen zahlreiche TV-Auftritte absolvieren.

Die Lust zu Neuwahlen ist auf der Rechten groß, auch weil die Meinungsumfragen ihr Mut machen. Denn Berlusconis Wählerschaft erweist sich allen Umfragen zufolge als völlig immunisiert gegen seine juristischen Probleme. Seine Partei Volk der Freiheit, die in den Februar-Wahlen nur gut 20 Prozent erhielt, kletterte in den Umfragen auf nun 27 Prozent, und der Rechtsblock insgesamt, der vor vier Monaten auf 29,5 Prozent kam, darf nun mit einem Drittel aller Stimmen rechnen. MICHAEL BRAUN