Ein allgegenwärtiges Thema

DÄNEMARK Bisher stand die Mehrheit der Bevölkerung hinter dem Militäreinsatz, doch die Stimmung beginnt sich zu ändern. Abzug ist für 2012 geplant

STOCKHOLM taz | Dänemarks Beitrag zur Isaf-Truppe besteht aus 750 Soldaten. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl stellt das Land damit nach Großbritannien das stärkste Kontingent. Seit 2006 ist das Gros der dänischen Soldaten in der besonders gefährlichen südafghanischen Provinz Helmand eingesetzt. 31 dänische Soldaten wurden bisher getötet. Mit 5,6 Gefallenen auf 1 Million EinwohnerInnen – in Deutschland sind es 0,4 – hatte kein anderes Land stärkere Verluste. Und Dänemark zahlt – hinter Norwegen und vor Schweden – auch den im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl höchsten Beitrag für humanitäre Hilfe in Afghanistan.

Dänemark ist im Krieg und Afghanistan das beherrschende Thema seiner Außen- und Sicherheitspolitik. Der Afghanistaneinsatz ist auch in den Medien allgegenwärtig: Aktuell flimmern in Dänemark allwöchentlich gleich zwei TV-Dokuserien über den Bildschirm: „Vores krig“ (Unser Krieg) und „Felthospitalet“ (Feldhospital), die den Alltag des Krieges und das Schicksal von heimgekehrten Kriegsinvaliden thematisiert. Die Tageszeitung Berlingske Tidende porträtiert in einer Serie „Die Gefallenen“ („De faldne“), außerdem sind mittlerweile drei Spielfilme rund um das Thema des dänischen Afghanistaneinsatzes entstanden.

Kritische Fragen werden nicht unterschlagen. Eine Artikelreihe über die Hintergründe, wie Dänemark unter dem jetzigen Nato-Generalsekretär und Exministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen einer der engsten Verbündeten Washingtons wurde, das Parlament irregeführt und das Land in die Kriege im Irak und in Afghanistan gelotst wurde, erhielt den angesehensten Journalistenpreis des Landes. In einem Dokumentarfilm und mehreren Büchern werden Dänemark schwere Völkerrechtsverstöße vorgeworfen. Am Dienstag musste Verteidigungsminister Søren Gade auch wegen eines Skandals um das Buch über den Einsatz einer dänische Geheimtruppe in Afghanistan sein Amt räumen.

Dennoch ist die mehrheitliche Befürwortung dieses Militäreinsatzes seit 2002 nur einmal ernsthaft ins Wanken geraten: als 2006 innerhalb kurzer Zeit die Zahl der Gefallenen stark anstieg. Dieses Meinungsbild ist umso bemerkenswerter, als eine Mehrheit gleichzeitig nicht daran glaubt, dass dieser Krieg zu gewinnen ist. In den skandinavischen Nachbarländern Norwegen und Schweden will die Bevölkerung ihre 500 beziehungsweise 410 Soldaten mittlerweile mehrheitlich heimholen.

Doch seit einigen Monaten hat sich auch in Kopenhagen der Wind gedreht. Noch vor einem Jahr mussten sich die oppositionellen Linkssozialisten als „Verräter“ beschimpfen lassen, die den dänischen Soldaten in den Rücken fallen würden, indem sie für die Beendigung des Einsatzes bis zum Jahre 2015 plädierten. Jetzt aber stellt sich die konservativ-liberale Koalition, in der seit einer Regierungsumbildung in dieser Woche erstmals zwei Frauen für die Außen- und die Sicherheitspolitik (Lene Espersen und Gitte Lillelund Bech) verantwortlich sind, auf 2012 als Abzugstermin ein. Zugleich lehnt sie jede Aufstockung des dänischen Militärbeitrags ab. „750 Soldaten und nicht mehr“, erklärte Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen: „Wir leisten schon genug. Jetzt sollen die anderen mal ran.“

REINHARD WOLFF