Wahlbetrug in Haiti?

Nachdem das Ergebnis der Wahlen doch wieder unklar scheint, wittern die Anhänger des Favoriten Betrug

SANTO DOMINGO taz ■ Ein Mitglied des Provisorischen Wahlrates (CEP) in Haiti hat am Sonntag schwere Manipulationsvorwürfe gegen das eigene Gremium erhoben. Es gebe innerhalb des neunköpfigen Kollegiums den Versuch, die Wahlergebnisse zu beeinflussen, erklärte Pierre Richard Duchemin, der das Wahlzentrum leitet. Bis Freitagnacht hatte der Präsidentschaftskandidat der Partei „Lespwa“, René Préval, noch mit fast 60 Prozent der Wählerstimmen uneinholbar an der Spitze gelegen. Doch nach dem letzten offiziellen Wahlbulletin von gestern Früh, nach der Auszählung von rund 90 Prozent der Stimmen, hat Preval mit 48,7 Prozent die absolute Mehrheit verfehlt.

Über 150.000 Wahlzettel, rund 7,5 Prozent der abgegebenen Stimmen, wurden für ungültig erklärt. Unmut herrscht auch darüber, dass außerdem knapp 85.000 ohne Stimmkreuz abgegebene Wahlzettel in die Endabrechnung mit einbezogen wurden. Diese scheinen jetzt Préval zu fehlen.

Die letzten offiziellen Ergebnisse stehen auch im Widerspruch zu den überschlägigen Zählungen, die internationale Wahlbeobachtergruppen bereits am Wahltag in den über 800 Wahlzentren erhoben hatten. Danach hätte Préval mit rund 53 Prozent die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang gewonnen.

Wenn er die tatsächlich verfehlt haben sollte, müsste er in einer Stichwahl am 19. März gegen den Zweitplatzierten Leslie Manigat antreten. Der Kandidat des Bürgertums hat nur 11,8 Prozent erreicht.

In Port-au-Prince herrscht inzwischen eine gespannte Situation. Gestern Früh haben Anhänger Prévals nach Informationen des haitianischen Rundfunksenders Radio Metropole in verschiedenen Stadtteilen von Port-au-Prince Barrikaden errichtet. Auch in der Umgebung der haitianischen Hauptstadt wurden von mit Macheten bewaffneten Demonstranten Straßensperren errichtet. „Ohne Préval gibt es keinen Frieden“, drohten die Protestierenden.

Am Sonntag hatten tausende von Préval-Anhängern friedlich das Zentrum des CEP und das internationale Pressezentrum belagert. Sie forderten den Wahlrat auf, ihren Kandidaten zum Wahlsieger zu erklären. „Wir werden nicht zulassen, dass sie Préval um den Sieg betrügen“, skandierten die Demonstranten.

Die Äußerungen des abgeschlagenen Drittplatzierten nähren die Vermutungen von Unregelmäßigkeiten zu Lasten Prévals. Der Textilunternehmer Charles Henry Baker sagte der Tageszeitung Miami Herald, er werde zum „Wohl des Landes nicht zulassen, dass dieser Typ (Préval) an die Macht“ komme. „Er ist ein inkompetenter Dummkopf“, sagte Baker, für den nur etwa 7,9 Prozent der Wähler stimmten. „Das Schlimmste, was dem Land passieren kann, ist, dass er an die Macht kommt.“ Baker soll maßgeblich am Sturz von Aristide beteiligt gewesen sein. Ihm wird nachgesagt, dass er zusammen mit anderen Unternehmern die bewaffnete Opposition finanziert habe.

HANS-ULRICH DILLMANN