Die dienstälteste Chronistin

Wenn Erika Krauß zum Termin im Hamburger Rathaus erschien, konnte das Gedrängel noch so groß sein. Alle Reporter machten ihr respektvoll Platz, damit die 1,60 Meter große Pressefotografin arbeiten konnte. Selbst als der damalige Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) 1987 sein Amt um die Hafenstraße verpfändete, als es also um etwas ging, hieß es: „Macht Platz! Erika kommt!“ Und wenn Erika noch nicht da war, so bei Dohnanyis Nachfolger Henning Voscherau: „Dann können wir noch nicht anfangen.“ Erika Krauß gehörte zum Rathaus wie die Senatskanzlei. Hamburgs dienstälteste Pressefotografin ist am Mittwoch im Alter von 96 Jahren gestorben und hat bis zuletzt gearbeitet.

Sie trat stets extravagant auf: Schwarzes Kleid und schwarzer, auffälliger Hut. Seit 1950 verfolgte sie das politische Geschehen im Rathaus. Sie begleitete auch Prominente bei ihren Stippvisiten, fotografierte den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow oder Palästinenser-Führer Yassir Arafat. 1965 war sie dabei, als die noch junge englische Königin Elizabeth Hamburg besuchte, später als Prinz Charles und Prinzessin Diana an der Elbe waren.

Als Erika Krauß bei einer Filmpremiere die Schauspieler fotografieren wollte, schritt plötzlich der ebenso kleine Dustin Hoffmann in die Journalistenschar, nahm ihre Kamera und fotografierte sie, erinnert sich der damalige taz-Fotograf Henning Scholz.

„Selten hat eine Journalistin auf einem so hohen Niveau über so lange Zeit eine Stadt abgebildet und sich dabei so hohe menschliche Anerkennung erworben“, sagt die Landes-Chefin des Deutschen Journalisten-Verbandes Marina Friedt. „Erika kam aus einer anderen Welt – aus einer Fotografenzeit, die ausstirbt“, sagt auch Pressefotograf Markus Scholz. Heute sei der Beruf des Fotografen kaum noch wertgeschätzt: „Sie zumindest hat uns gezeigt, wie Mann und Frau diesen Beruf ausüben und dabei ein freundliches Bild vom Menschen und seinem Beruf zurücklassen kann.“  KVA