: Fußball-Fanatiker
Wegen einer Karikatur zum möglichen Bundeswehr-Einsatz bei der WM erhält der Zeichner Klaus Stuttmann nicht nur Protestmails, sondern auch Morddrohungen. Steckt eine Kampagne dahinter?
VON DANIEL BAX
Jetzt hat auch der Berliner Tagesspiegel seine Karikatur-Affäre. Am Freitag hatte das Blatt eine Zeichnung veröffentlicht, die vier Bundeswehrsoldaten in voller Kampfmontur zeigte, denen vier mit Sprengstoffgürteln ausgerüstete iranische Fußballspieler gegenüberstanden. Eigentlich wollte der Karikaturist Klaus Stuttmann damit nur die Absurdität mancher deutscher Politiker geißeln, die sich für einen Bundeswehr-Einsatz zur Fußball-WM ausgesprochen haben. Doch die Gleichsetzung iranischer Fußballspieler mit Selbstmordattentätern hat, wenngleich ironisch motiviert, zu ungeahnt heftigen Protesten geführt. Seit Samstag trudelten in der Tagesspiegel-Redaktion hunderte von E-Mails ein, die sich über die Zeichnung beschwerten. Viele Mails enthielten üble Beschimpfungen, drei sogar Morddrohungen. Der Zeichner hat seine Wohnung verlassen, der Staatsschutz die Ermittlungen aufgenommen.
Ja sind denn jetzt alle verrückt geworden? Oder steckt eine Kampagne dahinter, fragt man sich nicht nur beim Tagesspiegel. Dass viele der Protestmails auf Englisch verfasst waren und nicht nur aus Deutschland, sondern sogar aus Australien oder Frankreich stammten, ließ darauf schließen, dass die Kunde von der Zeichnung über das Internet verbreitet worden sein musste. Tatsächlich war Stuttmanns Mail-Adresse etwa auf www.persianfootball.com, einem Forum iranischer Fußball-Fans, veröffentlicht worden, und aus dem Iran protestierte der Generalsekretär der iranischen Sportpressegemeinschaft, Manuchehr Sandi.
Am Montag meldete sich dann die iranische Botschaft mit einem Brief, in dem sie vom Tagesspiegel eine Entschuldigung verlangte. Ob es allerdings einen direkten Zusammenhang zwischen der Initiative der Botschaft und der bedrohlichen Mail-Lawine gibt, ist noch völlig unklar. Denn dass sich eine ausländische Botschaft bei einer deutschen Zeitung über eine ihr ungenehme Karikatur beschwert, ist leider gar nicht so unüblich – auch die israelische oder polnische Botschaft zeigen sich gelegentlich sensibel. Überdies stammten viele der Protest-Mails, wie Klaus Stuttmann im Tagesspiegel erklärte, offenbar von Exil-Iranern, die dem Regime in Teheran sonst eher kritisch gegenüberstehen. Mehr noch: Für sie ist der Sport das Symbol für eine Alternative zum Mullah-Regime. Doch wenn es um Fußball geht, verstehen diese Fans offenbar genau so wenig Spaß wie religiöse Fanatiker. Gut möglich, dass sich die iranische Botschaft in Deutschland an diese Proteste lediglich angehängt hat. Dennoch fühlt sich der Tagesspiegel durch den massiven Druck bedroht. Zwar wies die Chefredaktion alle Vorwürfe zurück, man habe die Integrität iranischer Fußballspieler in Frage stellen wollen. Doch der Schaden ist unübersehbar: Der Druck befördert eine Selbstzensur hiesiger Karikaturisten. „Ich hatte bislang keine Probleme, Zeichnungen zum iranischen Präsidenten zu machen“, sagte Klaus Stuttmann gestern im Tagesspiegel. Doch seit er selbst im Kreuzfeuer steht, sei das anders. „Da habe ich zurzeit Bauchschmerzen. Man kriegt mit, wie ungeschützt man ist.“
Deswegen ist es gut, dass sich nun andere Zeichner, darunter Freimut Wössner, Tom und Rainer Hachfeld, mit dem bedrängten Karikaturisten solidarisieren. In einem offenen Brief an den Tagesspiegel begrüßen sie, „wie deutlich und offensiv Sie Ihrem Zeichner den Rücken stärken, denn Sie verteidigen damit auch unser Recht, frei und unzensiert zu arbeiten. Wir alle sind darauf angewiesen, dass die Redaktionen unserer Zeitungen sich in einem ähnlichen Fall ebenso verhielten“.
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