Washington will verlorenen Boden gutmachen

BESUCH Das politische Engagement der USA kommt für viele Afrikaner spät – die persönliche Betroffenheit des US-Präsidenten nicht

Die USA interessieren sich vor allem für das Afrika der Konflikte. Partner des dynamischen Afrikas ist China

VON DOMINIC JOHNSON

GOMA taz | Es ist Barack Obamas Pech, dass er ausgerechnet in dem Moment in Afrika landet, in dem ganz Afrika mit dem einzigen noch berühmteren Schwarzen der Welt fiebert: Nelson Mandela, der im Sterben liegende Expräsident Südafrikas. Mandelas Schicksal bewegt Afrikaner weitaus mehr als die Rundreise eines US-Präsidenten, dem Afrika einst als Hoffnungsträger huldigte und von dem es heute umso enttäuschter ist.

Obama landete in der Nacht zum Donnerstag in Senegal, wird am Freitag nach Südafrika weiterreisen und am Montag zur letzte Station in Tansania. Es wird in Afrika ebenso wie in den USA mit Verwunderung registriert, dass dies seine erste richtige Afrikareise seit seinem Amtsantritt 2009 sind. Im Juli dieses Jahres hatte Obama einen Blitzbesuch von gerade mal 20 Stunden in Ghana absolviert.

„Afrika ist für die Sicherheit und den Wohlstand der internationalen Gemeinschaft und insbesondere der USA wichtiger denn je“, heißt es in der Afrikastrategie des Weißen Hauses von 2012. Daran ist zweierlei hervorzuheben: Sicherheit kommt an erster Stelle; und die neue Strategie gab es erst gegen Ende von Obamas erster Amtszeit.

Verspätet und einseitig versuchen sich Obamas USA in Afrika zurückzumelden. Bill Clinton, der Vorgänger des Präsidenten als Demokrat an der Spitze der USA, gab mit dem „African Growth and Opportunity Act“ (Agoa), der den ärmsten Ländern des Kontinents bedingt zollfreien Zugang zum US-Markt gewährt, einen wichtigen Impuls für afrikanische Exportnationen. George W. Bush, Obamas unmittelbarer Vorgänger, engagierte die USA massiv in der Aidsbekämpfung. Obama lässt sich nicht auf Afrika ein, vielleicht um nicht als Präsident der Schwarzen aufzutreten.

Eine durchdachte Afrikapolitik einer Großmacht müsste den zwei Gesichtern Afrikas Rechnung tragen. Der Kontinent gilt international als globale Wachstumshoffnung, mit Wachstumsraten von konstant über 5 Prozent im Jahr, starkem Rückgang der Armut in einzelnen Ländern und massiven Investitionen vor allem aus Asien. Afrika ist allerdings gleichzeitig der Kontinent nicht enden wollender Konflikte, von Somalia bis Kongo, zu denen sich neue Instabilität und islamistische Gewalt in Nordafrika und der Sahelzone gesellt. Der Kontrast zwischen dem aufstrebenden und dem verelendeten Afrika wird immer schärfer.

Die USA interessieren sich vor allem für das blutige Gesicht Afrikas. Sie führen Drohnenkriege gegen Islamisten in Somalia; eine weitere US-Basis zu diesem Zweck entsteht in Malis Nachbarland Niger. Sie interessieren sich für die Jagd auf den flüchtigen ugandischen Rebellenführer Joseph Kony. Sie weiten ihre Sicherheitskooperation mit wichtigen Regionalmächten wie Nigeria und Äthiopien aus.

Aber für das dynamische Afrika steht China als Partner unangefochten an erster Stelle. Peking richtet regelmäßige Afrika-Staaten-Gipfel aus, seine Führer reisen ständig nach Afrika und bringen Investitionen und Kredite mit. Das chinesische Handelsvolumen mit Afrika ist doppelt so groß wie das der USA.

China steht im Straßenbild afrikanischer Hauptstädte für Prestigebauten, Paläste, Sportstadien, neue Straßen. Die USA machen sich vor allem durch ihre teils absurden und erniedrigenden Sicherheitsvorkehrungen rund um ihre Botschaftsgelände bemerkbar, manche davon wahre Festungen. Der Gesamteindruck ist der einer sich einigelnden Supermacht, die vom normalen Afrika wenig weiß und damit wenig zu tun haben will.

„Wir sind Zeugen eines allmählichen, aber kontinuierlichen Rückzugs der USA aus Afrika“, sagte kürzlich der Sudanese Mo Ibrahim, Gründer eines der erfolgreichsten Mobilfunkunternehmen des Kontinents und Wortführer der neuen Business-Schicht Afrikas. „Wir verstehen das nicht. Die USA sind jahrelang ein großer Freund gewesen, aber sobald Afrika seinen eigenen Aufstieg einleitet, ziehen sie sich total zurück.“

Obama möchte nun verlorenen Boden gutmachen. Er will in Tansania, einer der aufstrebenden Wirtschaftsmächte, einen Wirtschaftsgipfel abhalten. Und das Emotionale wird breiten Raum einnehmen. Zwar wird Obama auch jetzt nicht das Grab seines Vaters in Kenia besuchen; Kenia, mit einem vom Internationalen Strafgerichtshof angeklagten Präsidenten, kommt als Reiseziel nicht infrage.

Aber am Donnerstag wollte die Familie Obama in Senegal die als Mahnmal erhaltenen europäischen Festungen auf der Insel Gorée besichtigen, von wo einst Millionen Afrikaner als Sklaven in die USA verschifft wurden – darunter möglicherweise die Vorfahren seiner Frau und damit auch seiner Töchter. Es wird ein Privatbesuch, ohne Presse.

Die noch heute für jeden Besucher bedrückenden Todesverliese von Gorée, deren einziger Ausgang ins Meer führt ohne Hoffnung auf Wiederkehr – sie machen die ganze unaufgearbeitete Wucht dieser komplexen historischen Beziehung deutlich: zwischen einem von Sklavenhändlern ausgebluteten Afrika und dem Staat, der am anderen Ufer des Atlantiks mit dem Schweiß schwarzer Sklaven aufgebaut wurde.

Obama ist der erste US-Präsident, der zu Afrika eine persönliche Beziehung hat – ob er will oder nicht. Vielleicht ist es gerade deswegen für ihn so schwer, eine Politik zu entwickeln.