Banken zahlen für Banken

BANKENUNION In der EU soll künftig nicht mehr der Steuerzahler für Finanzpleiten haften. Die Branche murrt

Die neuen Regeln gelten erst ab 2018 – zu spät, um die aktuellen Probleme zu lösen

AUS BRÜSSEL ERIC BONSE

Die Einigung kam im Morgengrauen – rechtzeitig vor Beginn des EU-Gipfels. Nach stundenlangen nächtlichen Beratungen verständigten sich Europas Finanzminister in der Nacht zum Donnerstag auf ein gemeinsames „Abwicklungsregime“ für Geldinstitute, die pleitegehen.

„Künftig stehen Banken für Banken gerade, nicht mehr die Steuerzahler“, fasste Binnenmarktkommissar Michel Barnier das Prinzip zusammen. Der Deal wurde als wichtiges Element der EU-Bankenunion gefeiert. Doch die immer noch schwelende Krise wird damit wohl nicht gelöst, denn die neuen Regeln gelten erst ab 2018 – viel zu spät, um die aktuellen Probleme zu lösen. Zudem wird die Solidarität im Euroraum weiter geschwächt.

Ursprünglich war geplant, dass Pleitebanken direkt aus dem Eurorettungsfonds ESM gestützt werden können. Damit wollten die Eurostaaten – allen voran Italien, Spanien und Frankreich – den gefährlichen und für die Steuerzahler teuren Teufelskreis zwischen Banken- und Schuldenkrise durchbrechen. Doch Deutschland widersetzte sich mit Erfolg.

Zwar soll es künftig tatsächlich ESM-Hilfen geben – aber nur maximal 60 Milliarden Euro und auch nur im Notfall. Zuvor sollen zunächst Anteilseigner, Gläubiger und besonders vermögende Großanleger zur Kasse gebeten werden – in dieser Reihenfolge. Damit setzte sich Finanzminister Wolfgang Schäuble durch, der gefordert hatte, dass die Bankbesitzer und -kunden zunächst selbst für Verluste haften.

Dieses Prinzip wurde in diesem Frühjahr in Zypern zum ersten Mal durchexerziert. Dort wurden allerdings nicht die Aktionäre zur Kasse gebeten – die waren selbst pleite –, sondern die Sparkonten geplündert. Ursprünglich wollte Schäuble sogar Kleinanlegern mit weniger als 100.000 Euro ans Portemonnaie. Das ist nun vom Tisch. „Für die normalen Anleger und Sparer ändert sich nichts“, so der Bundesfinanzminister.

Abseits dessen bahnt sich eine kleine Revolution an: Banken können sich nicht mehr auf ein „Bail-out“, eine Rettung durch den Staat, verlassen. Was seit Beginn der Krise galt, gilt nicht mehr. Von 2008 bis 2011 half die EU-Kommission mit 4,5 Billionen Euro. Damit ist jetzt Schluss.

Stattdessen bestimmt künftig eine „Haftungskaskade“, wer zuerst für Pleiten geradestehen muss – und wer zuletzt. Ganz am Ende steht der Staat. Und erst wenn der nicht mehr helfen kann, kommt der ESM an die Reihe. Aber die ESM-Hilfe wird wie bisher dem Land zugerechnet, das sie beantragt. Damit erhöht sich dessen Schuldenquote – der Teufelskreis bleibt also erhalten.

Ein weiteres Prinzip lautet, dass Europas Banken nach deutschem Vorbild in nationale Abwicklungsfonds einzahlen müssen. Gegen einen zentralen Finanzierungstopf hatte sich vor allem die Bundesregierung gesträubt, damit deutsche Kleinbanken und Sparkassen nicht für marode Kreditinstitute anderswo haften müssen. Selbsthilfe kommt weiter vor Solidarität.

Trotz dieser Ungereimtheiten wurde die Einigung gestern in Brüssel gefeiert. Der Kompromiss sei ein „Meilenstein“, so der irische Finanzminister Michael Noonan. Der Bundesverband deutscher Banken sprach von einem wichtigen Schritt zu einem „grenzüberschreitenden Sanierungs- und Abwicklungsregime“.

Allerdings warnen Experten davor, dass es gerade angeschlagene Institute in Krisenländern künftig schwerer haben dürften, Kapital zu finden. Und die deutschen Sparkassen fordern erneut Sonderregeln – genau wie bei der geplanten EU-Bankenaufsicht, von der sie – Schäuble sei Dank! – ausgenommen werden.