Der Afghanischkurs muss nicht sein

Zweisprachige Bildungskonzepte bringen keine Vorteile in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt, sagt eine Studie. Die Forscher fordern deshalb, Migrantenkinder müssten möglichst früh und intensiv mit der deutschen Sprache in Kontakt kommen

AUS BERLIN KERSTIN SPECKNER

Der Mannheimer Migrationsforscher Hartmut Esser glaubt, dass er sich mit seinen Forschungsergebnissen keine Freunde machen wird. Zumindest keine Freunde unter jenen Politikern, Pädagogen und Migrantenverbänden, die fordern, bei Migrantenkindern müsse auch die Muttersprache gefördert werden.

Deren Argument ist: Kinder könnten in der Zweitsprache, also Deutsch, nur sicher werden, wenn sie die Muttersprache sicher beherrschen. Der schlaksige Mann mit dem Schnauzbart möchte das mit Studien widerlegen, die die Arbeitsstelle Interkulturelle Konflikte und gesellschaftliche Integration (AKI) ausgewertet hat.

Die AKI wird vom Bildungsministerium finanziert und soll helfen, wissenschaftlich fundierte Integrationskonzepte zu erstellen. AKI hat deutsche und ausländische Studien ausgewertet. Das Ergebnis ist, dass Zweisprachigkeit jungen Migranten keinerlei Vorteile in Bildungs- und Berufslaufbahn bringt. Für den Erfolg zählten nur die Deutschkenntnisse. Bilinguale Konzepte wie Muttersprachenunterricht seien „Wellness statt Fitness“, sagt Esser. Dass die Anerkennung der Muttersprache gut für die Identität sei, bestreitet er nicht. Für die Arbeitschancen sei sie aber nicht relevant.

Wie gut ein Kind mit Migrationshintergrund Deutsch lernt, hängt von mehreren Faktoren ab: Bildung der Eltern und Sprachpraxis im Elternhaus, Alter, Motivation und deutsche Sprachkontakte. Manche dieser Faktoren könne man nur schwer oder gar nicht beeinflussen, wie die Sprache und Bildung im Elternhaus.

Es gibt zwar schon lange Deutschkurse für Eltern. Ob die aber etwas gebracht haben, weiß man nicht. Das liege auch an der Konkurrenz zwischen Parteien und Ländern: Überall wird ein anderes Modellprojekt anderes ausprobiert. In die Karten schauen lassen will sich dabei niemand gerne. „Obwohl wir 30 Jahre Erfahrung mit Sprachkursen haben, wissen wir nicht, was funktioniert und was nicht“, sagt Esser. Faktoren wie Sprachkontakte könne man beeinflussen. Deutsch als Schulhofsprache sei ein Schritt in die richtige Richtung, wenn die Schüler aus Überzeugung und nicht aus Zwang Deutsch sprächen.

Ein Memorandum, das Esser und sieben weitere Migrationsforscher unterzeichnet haben, fordert verwertbaren Daten und möglichst früh mit dem Deutschlernen anzufangen. Konkrete Tipps zur Verbesserung der Deutschkompetenz gibt AKI nicht. Die Fachleute empfehlen aber, Projekte sollten darauf zielen, benachteiligende Faktoren abzubauen – zum Beispiel zu wenig Sprachkontakte an Schulen mit hohem Migrantenanteil.

Essers persönliche Wunschlösung ist, betroffenen Eltern zu raten, ihre Kinder auf Schulen in Stadtteilen mit geringerem Migrantenanteil zu schicken. „Sprache kann man nämlich auch ganz nebenbei lernen“, sagt Esser. Er fürchtet aber, dass dieser Vorschlag bei Eltern privilegierter deutscher Muttersprachler auf wenig Begeisterung stößt.