Viel Theater für soziale Schüler

Duisburger Hauptschule gewinnt beim bundesweiten Wettbewerb „Mach mit! Verantwortung leben“. Die SchülerInnen werden zu Streitschlichtern, besuchen Gedenkstätten und schreiben Theaterstücke. „Seitdem gibt es weniger Gewalt“

von MAIK BIERWIRTH

Duisburger SchülerInnen sind die sozialsten der Republik: Seit dem 11. September 2001 entwickeln Schüler an der Gemeinschaftshauptschule (GHS) verschiedenste Projekte für Toleranz und Gewaltprävention. Jetzt wurde die Schule in Rheinhausen vom Verein buddY e.V. als sozialste Schule in Deutschland ausgezeichnet wurde.

Anfang Februar fuhren die 16 Landessieger des Wettbewerbs mit einer je zehnköpfigen Delegation nach Hannover. Schirmherrin Doris Schröder-Köpf und Buddy-Pate Peter Neururer überreichten den Siegerpokal und einen Scheck über 5.000 Euro an die verblüfften, begeisterten Schüler aus Duisburg. Sie hatten sich wider Erwarten gegen Gymnasien und Gesamtschulen durchgesetzt.

Hannelore Denskus, Projektleiterin der Schule, ist immer noch aus dem Häuschen: „Noch nie habe ich die Kinder so glücklich erlebt. Sie konnten es gar nicht fassen.“ Wie das Preisgeld investiert wird, weiß sie indes noch nicht. Ein Teil soll aber den Schülern direkt zu Gute kommen, zum Beispiel durch Erneuerungen auf dem Schulhof. Außerdem möchte Denskus wieder einen Gedenkstättenbesuch organisieren. Alle zwei Jahre sollen sich die Schüler ein Bild von deutscher Geschichte machen.

Die meisten sozialen Projekte an der Duisburger Hauptschule werden jedoch nicht von Lehrerseite ins Leben gerufen. Nach den Anschlägen in New York vor fünf Jahren hatten in erster Linie muslimische Kinder das Projekt „Schule gegen Rassismus“ angeregt. Sie hatten Angst, mit Fundamentalisten über einen Kamm geschert zu werden. Für das seither gepflegte Projekt wurde die Schule von der internationalen Aktion Courage offiziell zur „Schule mit Courage“ ernannt. Gut 250 Schulen dürfen sich bundesweit mit diesem Titel schmücken.

Der Dialog der Kulturen wird an der Schule mit einem Migranten-Anteil von 40 Prozent auch auf anderer Ebene gefördert. Die Fünftklässler werden gemeinsam von evangelischen, katholischen und islamischen Religionsvertretern eingeschult. Anhand einer Textstelle, die in der Bibel und dem Koran vorkommt.

Als im vergangenen Jahr vor Weihnachten Neonaziaufmärsche im Ruhrgebiet zunahmen, starteten die Schüler eine neue Aktion gegen Rassismus, zu der Frage: Woran erkennen wir die Rechten überhaupt? Jahrgangs-übergreifend wurden Symbole und Kleidungsstil der Neonazis recherchiert und in der Schule ausgestellt.

Wo es früher schnell zu Handgreiflichkeiten kam, wird heute vor allem mit Worten gestritten. In jedem Jahrgang gibt es zudem zwei, drei geschulte Streitschlichter, die bei kleineren Konflikten zwischen ihren Mitschülern vermitteln können. Mit der Akzeptanz dieser Rolle hapert es bisweilen zwar, doch Denskus ist zuversichtlich, dass auch dieses Projekt noch besser fruchtet, wenn die Schlichter demnächst ihr eigenes Büro am Schulhof beziehen.

Die Streitschlichter haben im Rahmen eines ihrer Lehrgänge sogar ein Theaterstück zum Thema „Gesicht zeigen“ geschrieben, das von anderen Schülern aufgeführt wurde. Im Stadtteil Rheinhausen hat sich so das Image der Schule über Jahre zum Positiven gewandelt, das Selbstbewusstsein der Hauptschüler ist gestiegen. Erst recht, „wenn in der Cafeteria die vielen Zeitungsberichte hängen. Das ist für sie eine tolle Bestätigung“, so Denskus.

Die Verantwortlichen von buddY e.V. waren tief beeindruckt ob der Fülle an Engagement. Robert Kekez, der den Wettbewerb für buddY betreut hat, äußert sich zur Vorbildfunktion der Hauptschule: „Es gehört zu unserem Anliegen, dass die ganze Schule sich einbringt, nicht nur eine Gruppe Einzelner. Da waren die Duisburger unglaublich umtriebig.“ Die Teenager der Hauptschule Lange Straße pflegen nämlich auch noch die Ehrenfelder russischer Soldaten sowie ukrainischer Zwangsarbeiter. Und sie vermitteln in einem Seniorenheim Grundkenntnisse in Sachen Technik und Computer. Auch die Polizei arbeitet mit der Schule zusammen. Nur „in diesem Jahr haben die Polizisten leider kaum Zeit“ für die Schüler – schließlich ist Weltmeisterschaft.