Darf’s ein bisschen mehr sein?

Ein Blick auf den Biomarkt der USA entspricht dem klassischen Bild: Wenn in Amerika etwas passiert, dann aber auch gleich im großen Stil – inklusive trendigem Lifestyle. Leonardo DiCaprio und Sting sind mit von der Partie. Und auch deutsche Hersteller wie Rapunzel mischen dabei kräftig mit

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Wer schon einmal in einer Filiale der Bio-Supermarktkette Basic eingekauft hat, der kennt es: das Gästebuch, das an der Kasse ausliegt und in dem die Kunden ihre Wünsche, ihre Anregungen und ihre Kritik zum Ausdruck bringen können. Es soll das Gefühl erzeugt werden, dass auch in einem riesigen Verbrauchermarkt der einzelne Kunde wahr- und ernst genommen wird. Diese spezielle Art der Kundenbindung wird von den Bio-Supermärkten in den USA schon lange praktiziert.

Eine der größten Ketten mit Filialen in beinahe allen Bundesstaaten ist Wild Oats. Die Läden dieser Kette sollen einladen zum bewussten Einkaufen. Sie sind geräumig und wollen mit ihrem holzdominierten Natur-Look die Kunden ansprechen. Vor den weitläufigen Obst- und Gemüseauslagen soll es kein Gedränge geben. Das Biofleisch hat seine eigene Abteilung, auch die Auslage für wild gefangenen Fisch ist an einem eigenen Ort mit eigener Optik untergebracht. Naturkosmetik wird ebenso feilgeboten wie Schnittblumen und Zimmerpflanzen aus der Ökogärtnerei.

Die kleinen Bioläden, die auch in den USA Ausgangspunkt für die Ökofood-Bewegung unter den Konsumenten waren, befinden sich schon lange auf dem Rückzug. In Ketten wie Wild Oats werden knapp 50 Prozent aller Bioprodukte an die Verbraucher gebracht. Die unabhängigen Ökoläden kommen noch auf einen Marktanteil von 30 Prozent – Tendenz fallend. Doch ähnlich wie in Deutschland steigt der Anteil der Bioprodukte, die über den herkömmlichen Lebensmitteleinzelhandel vertrieben werden. Er ist fast schon so hoch wie der der Bio-Supermärkte.

Die jeweils dominierenden Ernährungstrends in den Staaten spiegeln sich auch in der Produktpalette der Bioregale wider. Am Abebben ist derzeit der Low-Carb-Trend, der im Jahr 2004 seinen Höhepunkt erreichte. Der Glaube, dass allein Lebensmittel mit geringem Kohlehydratanteil ein gesundes Leben ermöglichen, schwindet allmählich. Ein neuer Trend, der weniger das Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher anspricht, als vielmehr ihr Alltagsmanagement ist das Ready-to-eat-Food. Zum vorgeschnittenen und bereits gewaschenen Salat in Tüten wird gerne gegriffen.

Mit der Low-Carb-Welle entdeckten viele Amerikaner die Liebe zum Biofleisch. Dort gibt es enorme Wachstumsraten, was den Umsatz betrifft. Dennoch gilt der Bio-Fleischsektor immer noch als unterentwickelt. Genauso ausbaufähig ist der Verkauf von Milch- und Milchprodukten mit Biozertifikat. Während in diesem Bereich in Deutschland die größten Umsätze erzielt werden, wird Yoghurt oder Käse von der Biofarm in den USA nicht allzu häufig nachgefragt. Die Organic Trade Association (OTA), ein Unternehmerverband der US-Biobranche, hat im vergangenen Jahr eine regelrechte Werbekampagne für den Kauf von ökologisch hergestellten Milchprodukten gestartet. Um Kunden wurde mit zwei Argumentationslinien geworben. Zum einen stand die Gesundheit der Verbraucher im Fokus. Motto: Biomilch ist einfach gesund. Zum anderen wurde an die Verantwortung des mündigen Konsumenten für eine gesunde Umwelt appelliert.

Die OTA geht davon aus, dass der Kreis der Verbraucher, die sich gesund mit Bioprodukten ernähren wollen und gleichzeitig Umweltbewusstsein an den Tag legen, stetig steigt. Der Begriff des „Lohas“-Verbrauchers wurde geprägt. „Lohas“ steht dabei für „Lifestyle for Health and Sustainability“. Gesundheit und Nachhaltigkeit verbunden mit einem modernen Lebensstil machen nach den Vorstellungen der US-Bio-Branche den bewussten Verbraucher der Zukunft aus. Die „Lohas“-Bewegung, die mit einer eigenen Zeitschrift auf dem Medienmarkt präsent ist, wird in der Öffentlichkeit auch deshalb mehr und mehr wahrgenommen, weil sich zahlreiche Prominente hinter die Bewegung gestellt haben. Leonardo DiCaprio und Sting etwa sind Jünger der „Lohas“-Community.

Auch deutsche Hersteller haben den amerikanischen Markt bereits für sich entdeckt. Der größte deutsche Naturkosthersteller, die Firma Rapunzel aus dem Allgäu, verzeichnet hohe Zuwachsraten beim Verkauf ihrer Produkte in den USA. Der Renner bei den US-Kunden ist dabei die Schokonusscreme von Rapunzel. Sie verfügt über das Bio-Zertifikat des „National Organic Programme“ (NOP). Das ist für etliche Produkte aus Deutschland gar nicht so einfach zu erhalten, denn die Richtlinien unterscheiden sich bisweilen von den in Europa gültigen Standards. Schokolade ist – anders als in Europa – in den USA nur dann echt bio, wenn auch das zur Herstellung benötigte Milchpulver über ein NOP-Zertifikat verfügt. Für Unternehmen der Branche heißt es also Aufpassen. Im grenzüberschreitenden Handel ist Bio nicht immer gleich Bio.