„Wein ist kein Naturprodukt“

Bioweine gewinnen an Ansehen. Denn auch sie können landes- und rebtypisch in Erscheinung treten, mit eigenem, individuellem Charakter. Doch manche Zweifler bleiben hartnäckig. Deshalb bleibt mancher Ökotropfen Undercover

VON KATJA APELT

Wo gibt es eigentlich guten Ökowein zu kaufen? Im Bioladen? Im Weingeschäft? Oder in der (übrigens sehr gut sortierten) Spirituosenabteilung des Kaufhofs? „Gar nicht“, sagt ein Freund und erklärter Weintrinker. „Biowein ist doof und schmeckt nicht.“ Eine ziemlich verbreitete Meinung, wie eine Umfrage unter Weinkonsumenten im Bekanntenkreis ergibt.

Wahrheit oder Vorurteil? „Bis in die späten Achtzigerjahre waren Bioweine etwas für Idealisten, nicht für Weinliebhaber“, sagt Steffen Michler, Mitinhaber der Weinschule Dar Vino „Haus der guten Weine“. Die ersten ökologisch hergestellten Tropfen seien recht eigenwillig gewesen. „Die geschmackliche Qualität von Bioweinen hat sich in den vergangenen Jahren aber deutlich verbessert“, so Michler. Gibt es heute also biologisch veredelte Gesöffe statt Vollkornwein mit Müslibouquet? Um das herauszufinden hilft nur eines: selbst probieren! Nur so lässt sich feststellen, was es geschmacklich bringt, wenn Biowinzer auf Chemiekeulen gegen Pilzbefall verzichten, die Pflanzen wieder mehr Nährstoffe aus den wild begrünten und mit Humus angereicherten Böden beziehen und Insekten (insbesondere die Schädlingsfeinde) im Weinberg gehegt statt gekillt werden.

Das Beschaffen von Bioweinen ist allerdings gar nicht so einfach. Zum einen bieten sowohl Weinläden als auch Kaufhof nur eine sehr übersichtliche Auswahl an Bioweinen. Ein größeres und überraschend internationales Angebot führen Bioläden. Deutschland liegt eben bei der Gesamtanbaufläche von Ökowein mit seinen 2.000 Hektar und 350 Winzern nach Italien, Spanien, Frankreich und sogar den USA und Chile nur auf Platz 8 im internationalen Vergleich.

„Gerade in Südafrika, Australien, Kalifornien und Südamerika, ist es wegen des trockenen Klimas deutlich einfacher, Trauben biologisch anzubauen“, erklärt Guntram Zesslin, Besitzer des Weinladens „Sonnenreich“ am Berliner Arnimplatz, das Engagement der Neue-Welt-Winzer im Ökoanbau. In den hiesigen Gefilden lauert hingegen allerlei Bösartiges im Weinberg. Ob Falscher Mehltau, der Botrytispilz oder Heuwürmer, die Pflanzen müssen einiges abkönnen.

„Die Reben werden im Bioanbau so aufgezogen, dass sie von Anfang an auf eigenen Füßen stehen können“, erklärt Steffen Michler. Deshalb müssten sie nicht wie verwöhnte Kinder verhätschelt werden. Dafür seien die Gewächse hagerer, aber auch widerstandsfähiger als im konventionellen Weinanbau: die Marathonläufer unter den Reben.

Im Glas hingegen ist etwa der 2004er-Spätburgunder vom Weingut Höfflin/Schambachhof in Baden gar nicht zäh. Ein frischer, süffiger, leichter Tropfen, fast seidig auf der Zunge, stimmt versöhnlich. Auch der Rioja der Winzervereinigung Vinedos Ecologicos Osoti aus dem Jahr 2003 mit schönen, vollen, beerigen Tönen und einem gut eingebundenen Fass überzeugt. Auch Bioweine können landes- und rebtypisch in Erscheinung treten, mit eigenem, individuellem Charakter. Bei Pflege und Bebauung der Weinberge hat schließlich jeder Ökowinzer seinen eigenen Stil.

Manche setzen über neue Rebsorten Geschmacksimpulse. „Pflanzenschutz beginnt ja schon bei der Sortenwahl“, sagt Wolfgang Patzwahl vom Bioanbauverband Naturland. Manche Rebsorten seien robuster als andere, etwa der Regent oder der Cabernet Sauvignon. Außerdem würden derzeit neue Kreuzungen gezüchtet. Der Johanniter etwa oder die Rebe Solaris (siehe Kasten).

Andere sind ganz überzeugte Biodynamiker. Demeter-Mann Hartmut Heintz vom Weingut „Im Zwölberich“ etwa. Er hat seinen Weinbau an dem natürlichen Zusammenspiel von Gestein, Boden, Pflanze, Mensch und Kosmos ausgerichtet. Das bedeutet: Zwischen den weit auseinander stehenden Reben wachsen im Sommer Kräuter, Blumen und Gräser. Sie lockern den Boden und steigern den Humusgehalt. Typische Demeter-Präparate wie Hornmist und Hornkiesel erhöhen die Öchslezahl. Auch bei der Herstellung des Weins gehen Demeter-Winzer wie Heintz streng ökologisch vor.

Was Bioverbände wie Demeter und auch Naturland ihren Winzern auferlegt haben – Öko-Standards bis in den Keller –, ist allerdings laut EG-Öko-Verordnung noch keine Pflicht. „Bio“ dürfen sich auch Weine nennen, bei denen beim Keltern „geschönt“, also optische und geschmackliche Veränderungen vorgenommen werden. „Wein ist eben ein Kultur- und kein Naturprodukt“, sagt Wolfgang Patzwahl. Trotzdem seien solche Weine im eigentlichen Sinn keine richtigen Bioweine. Sie stammen nur aus ökologischem Anbau.

Manchen echten Biowein erkennt ein Käufer hingegen gar nicht als solchen. „Wer seinen Wein liebt, behandelt ihn biologisch“, sagt Zesslin. Allerdings schreiben viele es nicht auf das Etikett. Denn noch finden zu viele Weinfans Bio einfach doof.