berlinale szene Vielgucker, Vielschwatzer

Augen zu und durch

Man fragt sich ja bei jedem Film, den man auf dieser Berlinale schaut, wie die Vielgucker das machen, die professionellen genauso wie die Hobby-Cineasten. In einen Film reinkommen, das ist bei einem Film am Tag schon schwer genug, wieder eine neue Filmsprache lesen, eine neue Geschichte serviert bekommen, das braucht immer so seine zehn, fünfzehn Minuten. Und das fünf- oder sechsmal am Tag, in voller Länge? Man liest auch keine fünf oder sechs Bücher am Tag, nicht mal Literaturredakteure tun das, die schafft man kaum in einer Woche. Und der bekannte Vorteil beim Bücherlesen ist, dass man Bücher bei Konzentrationsschwächen weglegen kann. Filme aber erfordern Wachheit auf den Punkt, sind immer face-to-face.

Umso erstaunlicher ist da die Hellwachheit, die von manchen Berlinale-Besuchern nach den Filmen dokumentiert wird. Schwatz, schwatz, schwatz, kaum ist der Abspann vorbei, geht das Reden über den gerade gesehenen Film los, das sofortige Einschätzen und Beurteilen, das „Also, ich finde“ oder „fand ich“. Wie gucken diese Leute Filme? Und wie schnell sind die aus der oft komplexen Filmwelt wieder bei sich! Dabei wollen doch gerade auch Filme sich setzen, ablagern, überdacht werden, braucht es Stunden oder Tage, um sie abschließend beurteilen zu können. So gibt es nach den Aufführungen immer nur eine Möglichkeit, dem Postfilmgeschwatze zu entkommen: Augen zu und durch! GERRIT BARTELS