EU setzt Zeichen der Weichheit

Karikaturen-Streit 2: Die Europäische Union mahnt Medien zu „verantwortlicher Nutzung“ der Meinungsfreiheit

Die EU hat gestern im Karikaturenstreit einen klassischen Eiertanz hingelegt. Natürlich wolle niemand die Pressefreiheit einschränken, doch die Grenzen der Pressefreiheit lägen da, wo religiöse Gefühle verletzt würden, sagte der österreichische Außen-Staatssekretär Hans Winkler bei einer Dringlichkeitsdebatte im Europaparlament. Österreich hat derzeit den EU-Vorsitz inne. Auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso mahnte zu einer „verantwortlichen Nutzung“ der Meinungsfreiheit.

Auch der Sozialist und frühere dänische Regierungschef Poul Nyrup Rasmussen sieht die Medienfreiheit nicht in einem „luftleeren Raum“. Die fraglichen Karikaturen zeugten von „Ignoranz“ gegenüber dem Islam. „Regierungen können der Presse nicht sagen, was sie zu tun hat“, und dürften ihr keinen Verhaltenskodex vorschreiben, sagte Winkler. Die Medien müssten sich aber ihrer Eigenverantwortung bewusst sein.

Zu welchen absurden Situationen das führt, lässt sich im fast durchgehend muslimischen Jemen ablesen: Dort stehen seit gestern drei Journalisten wegen Verunglimpfung des Islams vor Gericht, nachdem ihre Zeitungen die umstrittenen Mohammed-Karikaturen nachgedruckt hatten. Die Behörden hatten die leitenden Redakteure am Sonntag festgenommen und ihre Zeitungen geschlossen. Der Chefredakteur eines weiteren Blattes wird noch gesucht. Einer der Angeklagten, der Chefredakteur des englischsprachigen Yemen Observer, erklärte zu Prozessbeginn, er sei unschuldig, da er die Zeichnungen nur als Teil seiner Berichterstattung über die Proteste gegen die Karikaturen veröffentlicht habe.

Die EU will nach den gewalttätigen Reaktionen in mehreren muslimischen Ländern nun „beruhigende Schritte“ zur Entspannung der Lage anbahnen, sagte Winkler vor dem EU-Parlament.

Für die Grünen warnte der deutsche Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit energisch vor einer Einschränkung der Meinungsfreiheit: „Wir als Politiker dürfen der Presse nicht vorschreiben, wo ihre Grenzen sind.“ Religionen stünden im öffentlichen Raum und würden immer Ziele von blasphemischen Karikaturen sein. „Freiheit ist weder geschmackvoll noch geschmacklos.“ dpa, afp, rtr, taz