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Wahlzettel auf der Müllhalde

In Haiti ruft Kandidat Préval seine Anhänger zu weiteren Demonstrationen auf

SANTO DOMINGO taz ■ Der haitianische Präsidentschaftskandidat René Préval hat dem Provisorischen Wahlrat eine Woche nach der Wahl Betrug vorgeworfen. Auf einer Müllkippe in Port-au-Prince wurden Dienstagnacht halb verkohlte Wahlzettel gefunden, auf denen Préval angekreuzt war. Es habe „grobe Fehler und massive Fälschungen“ gegeben, sagte Préval.

Nach der Auszählung von knapp 90 Prozent der Wahlzettel liegt der ehemalige haitianische Staatspräsident zwar mit fast 48 Prozent uneinholbar für seine Gegenkandidaten im ersten Wahlgang in Führung. Die notwendige absolute Mehrheit hat er jedoch knapp verpasst. Der Zweitplatzierte, Leslie Manigat, erhielt 11,7 Prozent der Stimmen. Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen vom Dienstag war Préval in einem Hubschrauber der UN-Blauhelmtruppen, die seit zwei Jahren in Haiti für Sicherheit sorgen sollen, nach Port-au-Prince geflogen worden. Nach stundenlangen Beratungen mit Mitgliedern der Interimsregierung und Verantwortlichen der UN gab sich Préval sicher, der Wahlsieger zu sein.

Zwar forderte Préval seine seit Tagen protestierenden Anhänger auf, dass „Eigentum anderer zu respektieren“, rief jedoch gleichzeitig dazu auf, weiterhin friedlich gegen den Wahlrat zu demonstrieren. Zahlreiche Straßen in Port-au-Prince und der Umgebung der Hauptstadt sind von Barrikaden blockiert, Büros und Fabriken geschlossen. Flüge aus den USA sind inzwischen eingestellt worden.

Protest und Verdacht erregt vor allem, dass der Wahlrat ohne Wahlkreuze abgegebene Stimmzettel als gültige Voten wertet. Dadurch ist Préval wohl unter die im Wahlgesetz vorgeschriebene Marke von 50 Prozent plus einer Stimme gerutscht. Ohne die Wertung der „Blanko“-Stimmen kommt René Préval auf über 51 Prozent.

HANS-ULRICH DILLMANN

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