Die Heimat kommt vorm Hindukusch

Beckstein und Schönbohm diskutieren beim Europäischen Polizeikongress den Einsatz der Bundeswehr bei der WM

BERLIN taz ■ Die europäischen Nachbarstaaten „halten uns doch für verrückt“, erklärte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) gestern zur Debatte um dem Einsatz der Bundeswehr während der Fußball-Weltmeisterschaft. Gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg diskutierte er beim Europäischen Polizeikongress in Berlin Sicherheitskonzeptionen bei Großveranstaltungen und besonderen Gefahrenlagen. Beckstein will – wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) – Soldaten zur Unterstützung der Polizei bei der Sicherung von zivilen Gebäuden einsetzen und deren technische Kapazitäten und Know-how im Katastrophenfall nutzen.

Was, so fragte der bayerische Innenminister in die hochrangige Runde von Polizei- und Armeeangehörigen, geschehe wohl, wenn kurz vor der WM ein Bus gesprengt werde? Oder al-Qaida ein Video mit Drohungen gegen deutsche Fußballstadien veröffentliche? „Wo sind dann unsere Zusatzkräfte?“ Das Argument, für einen solchen Einsatz seien die Soldaten nicht ausgebildet, ließ Beckstein nicht gelten. Dann müsse man die Ausbildung eben erweitern. „Der Schutz der Heimat hat Vorrang vor dem Hindukusch“, erklärte Beckstein unter Applaus. Heftig attackierte der Innenminister damit die Gewerkschaft der Polizei und den Bundeswehr-Verband, die derartige Einsätze bislang strikt ablehnen.

Als Sekundant diente ihm dabei Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Der rechtlich geregelte „klassische Spannungsfall“, wonach die Bundeswehr – etwa im Verteidigungsfall – auch für Aufgaben im Inland zuständig sei, gelte heute so nicht mehr, sagte der Ex-General. Inzwischen gehe die Gefahr von terroristischen Gruppen aus. Deshalb müsse man die „engen Voraussetzungen“ im Grundgesetz ändern, auch um Übungen mit der Polizei zu ermöglichen. Nach einem Anschlag sei es zu spät.

Hamburgs Innensenator Udo Nagel (CDU) ist grundsätzlich dafür, die Voraussetzungen für einen Inlandseinsatz der Bundeswehr zu ändern. Für die Weltmeisterschaft aber hält er die eigenen Polizei- und Feuerwehrkräfte für „gut aufgestellt“. Ähnlich sieht man es in Nordrhein-Westfalen.

Zuvor hatte Landespolizeipräsident Norbert Nedela die Vorbereitungen in Hessen vorgestellt: Regelmäßig treffen sich hier die Sicherheitsverantwortlichen in eigens eingerichteten Analyse- und Krisenzentren. Für die WM-Zeit besteht Urlaubssperre bei der Polizei, Aus- und Fortbildungen sind gestoppt, Einsatzgebiete sowie Dienstschichten wurden neu geregelt. Das Polizeigesetz wurde verschärft, Extra-Datenbanken eingerichtet und die technischen Fahndungsvoraussetzungen verbessert. Zudem hat der Staatsschutz beim Landeskriminalamt ein neues Einsatzkonzept zur Früherkennung mutmaßlicher Terroranschläge entwickelt und gemeinsam mit dem Verfassungsschutz ein Informations- und Analysezentrum eingerichtet. So ähnlich sieht es auch in anderen Bundesländern aus. OTTO DIEDERICHS