Föderalismusreform für Politikwechsel
: Kommentar von Thorsten Denkler

Ein kleiner Appell an alle, denen die Föderalismusreform nicht zu weit oder doch zu weit geht, die sich benachteiligt fühlen, die dem Bund oder den Ländern mal mehr, mal weniger Rechte geben wollen: Lasst es. Diese Reform ist allemal besser als der Status quo.

Bis zur Bundestagswahl war die Mehrheit im Bundesrat elf Jahre lang eine andere als im Bundestag. Als Kohl noch regierte, hat ihm Lafontaine in der Länderkammer die Hölle heiß gemacht. Die Zeit der Rache kam wenige Wochen nach dem Regierungswechsel 1998, als die SPD-geführten Länder plötzlich in der Minderheit waren. Ob Gesundheitsreform, Hartz-Gesetze, Steuerreform – ohne den Bundesrat ging nichts. Der einzige Grund, warum es heute die Praxisgebühr gibt, liegt darin, dass die Länder am Krankenhausbau beteiligt sind. Das ist absurd.

Die Föderalismusreform, nach mehreren Anläufen jetzt endlich entscheidungsreif, wird das ändern. Allein die Tatsache, dass der Bund darauf verzichtet, den Ländern vorzuschreiben, wie bestimmte Gesetze auszuführen sind, wird den Anteil der zustimmungspflichtigen Gesetze von heute 60 auf hoffentlich 40 Prozent senken. Das bedeutet nicht weniger, als dass eine gewählte Bundesregierung wieder das machen kann, wofür sie gewählt worden ist: regieren.

Aber das Umweltrecht, das droht zu zersplittern, wenn die Länder vom Bundesrecht abweichen dürfen. Aber die Bildungspolitik, in der der Bund künftig nichts mehr zu sagen haben wird. Aber, aber, aber. Berechtigte Einwände gegen die Reform lassen sich im Detail einige finden, je nach Blickwinkel. Genau das ist das Entscheidende: der Blickwinkel. Die Reform ist ein Kompromiss, der über Jahre hinweg mühsam verhandelt werden musste: zwischen Bund und Ländern, armen und reichen Ländern, Osten und Westen, Groß und Klein, Stadtstaaten und Flächenländern und nicht zuletzt zwischen den Parteien.

Grund: Um die Reform umzusetzen, muss eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat her. Das bedeutet: Werden die wenigen lockeren Stellschrauben der Reform überdreht, fällt die Reform aus. Auf dass die Allparteienkoalition nie enden möge.

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