: Hallo, hallo, hallo
IN DEUTSCHER ÜBERSETZUNG Am Dienstagabend las Alain Mabanckou aus seinem neuen Roman und sprach im Anschluss über Solidarität und Herrenmode
In seinen Romanen verknüpft der Schriftsteller Alain Mabanckou alte afrikanische Mythen und Fabeln mit modernen Erzählformen. Seine Bücher sind ein einziger flirrender Intertext, in denen stilistische Anleihen bei Gabriel García Márquez ebenso anzutreffen sind wie Referenzen an Bret Easton Ellis und Günter Grass. Am Dienstagabend las Mabanckou im Rahmen der Konferenz „Conventions and Conversions“ im Haus der Kulturen der Welt aus seinem neuen Roman, „Black Bazar“ – seinem ersten Buch, das den Weg zu einer deutsche Übersetzung gefunden hat.
In ihrer Einführung sprach die Afrikanistin Susanne Gehrmann über von Migration geprägter Literatur in Frankreich, wo Mabanckou studiert und lange gelebt hat. Dann übergab sie das Wort dem Literaturwissenschaftler und Journalisten Manfred Loimeier. Während Loimeier in schnellen Schnitten Alain Mabanckous Biografie Revue passieren ließ – 1966 in Pointe Noir in der Republik Kongo geboren, in den frühen Neunzigern erste Lyrikpublikationen, 1998 mit „Bleu Blanc Rouge“ die erste Romanveröffentlichung, seit 2006 Lehrtätigkeit an der UCLA in Los Angeles –, begannen zeitgleich mehrere Handys zu klingeln, deren Besitzer in einen hektischen Ausschaltwettstreit traten. Ein Mann schien dabei die falsche Taste gedrückt zu haben, denn plötzlich erklang eine verwirrte Frauenstimme, die nicht mehr aufhören wollte, „Hallo“ zu sagen, woraufhin der Mann panikartig den Saal verließ.
Dann las Alain Mabanckou zwei Kapitel aus „Black Bazar“ auf Französisch, die der Schauspieler Barnaby Metschurat jeweils im Anschluss in ihrer deutschen Übersetzung vortrug. Die Abschnitte waren gut gewählt, sie betonten Mabanckous Stärke, die in der pointierten Wiedergabe von direkter Rede liegt. Das erste Kapitel handelte davon, wie der namenlose Protagonist, der die meiste Zeit über in einer Kneipe im 1. Pariser Arrondissement herumhängt, Bekannten seine Tochter Henriette vorführt, um anschließend deren kritische Kommentare über sich ergehen zu lassen: „Ihr hättet ein Mischlingskind auf die Welt bringen sollen!“, sagt einer von ihnen, „du hast nichts begriffen von diesem Land, während ich mir den Arsch aufreiße und urbi et orbi predige, dass das dringendste Problem von uns Negern ist, hier und jetzt Entschädigung für das zu fordern, was man uns während der Kolonialzeit angetan hat.“
Auch die zweite Passage war ein nicht enden wollender Monolog, diesmal aus dem Mund eines rassistischen Mannes aus der Karibik, Monsieur Hippocrate, der den Schwarzafrikanern vorwirft, die Antillen an die Weißen verhökert zu haben, und einer Frau in einem Café das Anzünden einer Zigarette verbietet. Im Anschluss sprach Alain Mabanckou über die Unterschiede zwischen den „Black Communities“ in den USA und in Frankreich. Während es in den USA, so sein Fazit, aufgrund der Sklaverei so etwas wie eine gemeinsame Geschichte gebe, auf die sich ein Großteil der Schwarzen berufen könne, seien die biografischen Hintergründe in Frankreich weit heterogener, weshalb die Solidarität innerhalb der schwarzen Bevölkerung entsprechend geringer sei. Lustig wurde es noch, als Alain Mabanckou anfing, sich ausführlich über den Kleidungsstil eines französischen Migrantenverbandsvorsitzenden auszulassen und dabei – genau wie sein italienische Anzüge verhökernder Protagonist – ein erstaunliches Fachwissen in Sachen Herrenmode an den Tag legte. ANDREAS RESCH
■ Alain Mabanckou: „Black Bazar“. Aus dem Französischen von Andreas Münzner. Liebeskind Verlag, 270 Seiten, 19,80 €
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