Banker mit Angst vor der Hölle

KRISE Konsortium mit Beteiligung der anglikanischen Kirche bietet eine Milliarde Pfund für 316 Filialen der Royal Bank of Scotland – Erzbischof Welby will ethisch Geld verdienen

Der 57-jährige Erzbischof Welby hat früher in der Ölindustrie gearbeitet

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, möchte Bankier werden. Die Church of England, der er vorsteht, gehört einem Konsortium an, das sich um die Übernahme von 316 Zweigstellen der Royal Bank of Scotland (RBS) bewirbt. Neben der Kirche sind das Private-Equity-Unternehmen Corsair, das US-Finanzunternehmen RIT Capital von Lord Rothschild sowie der Versicherungskonzern Standard Life an dem Konsortium beteiligt.

Die EU-Kommission hatte 2009 entschieden, dass RBS seine Zweigstellen als Bedingung für 45,5 Milliarden Pfund Staatshilfe verkaufen müsse. Dem Staat gehören seitdem 81 Prozent der Bank. Die spanische Bank Santander wollte die Filialen eigentlich für 1,7 Milliarden Pfund kaufen, aber das Geschäft platzte im Oktober wegen eines Skandals im RBS-Derivategeschäft und drohender Prozesse.

Das Konsortium mit Kirchenbeteiligung hat eine Milliarde Pfund für die Filialen geboten – und gute Chancen. Es sind zwar noch zwei weitere Bewerber im Rennen, aber die Männer Gottes haben versprochen, aus RBS eine „ethische Bank“ zu machen. Eine Entscheidung soll in den kommenden Wochen fallen.

Die Church of England hält bereits Anteile an Barclays – und versucht auch hier, damit Druck auszuüben, um die Bank auf den rechten Weg zu bugsieren. Barclays war 2012 in den Skandal um die Manipulation von Zinsen im Interbankenverkehr verwickelt – und hat deshalb eine Rekordstrafe in Höhe von 290 Millionen Pfund kassiert.

Erzbischof Welby sagt, Bankiers müssen nicht nur mit der „Angst vor Armut und der Hoffnung auf ein dickes Bankkonto leben, sondern auch mit der Angst vor der Hölle und der Hoffnung auf den Himmel“, wenn sie den Ruf ihrer Branche wiederherstellen wollen. Der ist schwer angeschlagen. Allein im vorigen Jahr haben 2,4 Millionen Briten ihre Konten bei den fünf größten Banken Großbritanniens aus Protest gegen die Manipulation von Zinssätzen, hohe Bonuszahlungen und wegen anderer Skandale gekündigt. Laura Willoughby von der Kampagne „Move Your Money“ sagte: „Den Menschen wird langsam klar, dass sie sich nicht mit der Arroganz der großen Banken abfinden müssen.“ Welby hält ethisches Bankwesen für möglich, wenn man berücksichtige, dass „Menschen nicht unfehlbar“ seien. Der 57-Jährige kommt aus der Ölindustrie. Er hat in Cambridge Geschichte und Jura studiert. Nach seinem Abschluss 1978 arbeitete er fünf Jahre bei Elf Aquitaine in Paris, danach wurde er Finanzchef von Enterprise Oil in London, wo er sich vor allem mit Projekten in Westafrika und der Nordsee beschäftigte. 1989 hörte er „den Ruf Gottes“ und begann ein Theologiestudium. Nach Stationen in Liverpool und Durham wurde er im Februar zum Erzbischof von Canterbury ernannt – und ist damit Chef der weltweiten Anglikanergemeinde.

Als Erzbischof hat er automatisch einen Sitz im Oberhaus. Er gehört zudem dem Ausschuss für Standards im Bankwesen an. Dieser Ausschuss legte vor zwei Wochen einen kritischen Bericht vor. Dieser empfiehlt Finanzminister George Osborne, Bonuszahlungen und Pensionen für die Chefs der Banken zu stoppen, die mit Steuergeldern vor dem Bankrott gerettet wurden. Und: Banker, die eines Fehlverhaltens schuldig seien, gehörten ins Gefängnis.

Welby hatte sich vor einigen Monaten mit dem damaligen RBS-Chef Stephen Hester über die Rolle der Bank in der Gesellschaft unterhalten. Er arbeite im Dienste der Sparer und Aktionäre und zahle Steuern, sagte Hester. Daraufhin antwortete Welby, das sei „Mutterschaft und Apfelkuchen“ – eine idiomatische Wendung, die banale Prinzipien beschreibt, denen niemand widersprechen kann. „Ich suche aber eine etwas durchdringendere Analyse Ihrer Pflicht der Gesellschaft gegenüber, die über Gesetzestreue und Steuerzahlen hinausgeht“, rügte Welby. Anfang des Monats reichte Hester, der in seiner fünfjährigen Amtszeit 39.000 Jobs bei RBS gestrichen hat, seinen Rücktritt ein. Er bekommt eine Abfindung in Höhe von 1,6 Millionen Pfund. Hinzu kommen Aktien im Wert von bis zu 4 Millionen Pfund.