durch katrins brille
: Am Ende des roten Teppichs

Es ist so weit! Heute werden die Bären vergeben. Ein wunderbarer Moment, um sich die Bedingungen zu vergegenwärtigen, unter denen so ein Film entsteht. Für den Schauspieler, sagte Charlotte Rampling in ihrem Vortrag beim Talent Campus, gehe es vor allem darum, den Regisseur zu überzeugen: „Man muss zur absolut wichtigsten Person in seinen Augen werden.“ Zunächst selbst davon überzeugt sein, dann den Regisseur überzeugen – welch ein apartes Szenario! Für gewöhnlich sind in einen Dreh ja mehrere Akteure involviert. Man stelle sich vor: Sie alle zielen mit ihrem Mittelpunktsverlangen auf einen Regisseur. Vielleicht gibt es Doubles, für das Seelische.

Er allein braucht keinen Doppelgänger: „Hello, I am Dieter!“ Dieter is everwhere. Er steht vor einem und hält seine Sätze in der Schwebe, er legt Hände auf Arme und Arme um Schultern, lächelt, klopft, komplimentiert; er schreibt sich mit Van Diesel, dem Hauptdarsteller in Sidney Lumets „You’ll find me guilty“ in der so genannten VIP-Lounge ins Gästebuch der Berlinale ein, überreicht schwarze Festival-Strickmützen, umschwirrt quasi simultan Sidney Lumet und becirct auch die Damen: „Nice curlings!“ Wenn Dieter Kosslick parliert, wird German English zur Sprache der Träume. Und alles nimmt ein wunderbares Ende: „You find me at the end of the red carpet.“

Vom Gangsterboss Jackie DiNorscio trennen Vin Diesel eine zweistündige morgendliche Maske und ein falscher Bauch. Jetzt muss er zum Foto-Call. Der Foto-Call ist ein Arrangement, in dem der Star halbkreisig von einem Fotografenmob umstellt ist, der ihm Anweisungen zubrüllt, die im Einzelnen ohnehin untergehen. Lächeln, gerade stehen, den Lärm ignorieren – Vin Diesel macht das Beste daraus. Er hebt den Daumen, fixiert die Pose und dreht sich langsam im Halbkreis.

Warum all diese Filme über korrupte Unternehmen? „Nun“, lächelt Claude Chabrol, „Sie können wohl davon ausgehen, dass es noch weit mehr davon wirklich gibt.“ Die Zigarre ist in seinem Film „L’ivresse du pouvoir“ eine Art Leitmotiv des Konspirativen: Wenn machttrunkene Männer in gutsitzenden Anzügen zusammenkommen, so geht die Regel, dann wird geraucht. Jetzt sitzt Chabrol auf dem Podium, zündet sich eine Zigarre an, sieht so französisch aus, dass es ein Irrsinn ist, und Isabelle Huppert wedelt den Rauch beiseite. „Ich habe lange gebraucht, bis ich ‚ivresse‘, Trunkenheit, gefunden habe“, sagt Chabrol: „Genau das aber habe ich zeigen wollen: die Trunkenheit der Macht. Wie Macht die Menschen verändert.“

Die Goldenen und Silbernen Bären: Man jongliert ein wenig mit Namen herum, einen rechten Favoriten gibt es nicht. Nur den „kleinen Flop“ der Berlinale kennt man schon. Es ist das Akkreditierungsband. Seine Kritiker sagen: Es geht zu leicht auf und riecht außerdem nach süßlich-synthetischem Jasmin. Man muss den Kritikern sagen: Wer seine Akkreditierung an einem Bändchen um den Hals trägt, hat es nicht besser verdient. Er möge die süßliche Dünstung des Bändchens für die Rauchschwaden der Macht nehmen.

KATRIN KRUSE