REINER WANDLER ÜBER PORTUGALS WEG IN DIE MASSENARMUT
: Der Kapitän haut ab

Portugals Finanzminister Vítor Gaspar hat den Rotstift hingeschmissen. Der Konservative kam zu einer erstaunlichen Einsicht: Er habe für seine Politik immer weniger Rückhalt in der Bevölkerung, erklärte der Mann, der im Auftrag der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds das Spardiktat umgesetzt hat. Vier Generalstreiks provozierte Gaspar und sein konservativer Regierungschef Pedro Passos Coelho mit Sozialkürzungen und Steuererhöhungen. Das vorletzte Paket wurde nach Massendemonstrationen zurückgenommen, das letzte scheiterte am Verfassungsgericht.

Was Gaspar zurücklässt, ist ein kaputtgespartes Land. Große Teile der Bevölkerung verarmen zusehends, seitdem Portugal vor zwei Jahren unter einen 78-Milliarden-Euro-Rettungsschirm schlüpfte, die Arbeitslosigkeit liegt mittlerweile bei der Rekordquote von 17,6 Prozent, die öffentlichen Dienstleistungen, Transport, Bildung, Gesundheitswesen werden immer weiter abgespeckt.

Selbst mit den – von der Troika so geschätzten – makroökonomischen Eckdaten kann der abgetretene Gaspar nicht glänzen: Portugal soll sein Defizit von 6,4 Prozent 2012 auf 5,5 Prozent bis Ende dieses Jahres senken. Das sind Vorgaben, die bereits mehrmals gelockert wurden.

Doch auch dies wird nicht zu machen sein. Im ersten Quartal 2013 lag das Defizit bei 10,6 Prozent und somit höher als zu Beginn des Troika-Intervention. Alles, was der stark angeschlagenen portugiesischen Regierung bleibt, ist, erneut um eine Lockerung der Vorgaben aus Brüssel und Berlin zu betteln. Griechenland hat sich zu Tode gespart, Portugal liegt auf dem Sterbebett – die Austeritätspolitik ist gescheitert, auch wenn dies weder die Troika noch Brüssel und schon gar nicht Berlin vor den Wahlen im September so zugeben wollen.

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