Modeindustrie wach bassen

Die Demo-Parade „Butt & Better“ kritisiert die Fashion Week und wendet sich gegen Fashion-Terror und die Ausbeutung der Textilarbeiter_innen

■ „Modeindustrie aufwecken!“, Demonstration für faire Mode und Trashion, gegen Fashion-Terror und Ausbeutung

■ Wann? Samstag, 6. Juli

■ Start: 18 Uhr, Pariser Platz am Brandenburger Tor

■ Im Netz: www.butandbetter.de

Klebt an unserer Mode das Blut von Arbeiter_innen in Billiglohnländern? Am 24. April starben 1.127 Menschen, als in Bangladesch die Textilfabrik Rana Plaza einstürzte. Ein halbes Jahr vorher war die Fabrik Nazreen (ebenfalls Bangladesch) in Flammen aufgegangen (117 Tote).

Schluss damit! „Modeindustrie aufwecken! Für faire Mode und Trashion, gegen Fashionterror und Ausbeutung“ fordert die Demo-Parade „Butt & Better“. Am Samstag, 6. Juli, um 18 Uhr sollen mehrere Trucks mit Musik und teilweise wild verkleideten Menschen vom Brandenburger Tor über die Straße Unter den Linden und dann die Friedrichstraße hinabziehen. Es wird eine Mischung aus politischer Demonstration und freakigem Rave.

Die Forderungen sind: Arbeits- und Ökostandards bei der Herstellung, existenzsichernde Löhne und Transparenz. „Klar steht dieses Jahr auch der Brandschutz im Vordergrund, angesichts der Ereignisse“, sagt Berndt Hinzmann von der Kampagne für Saubere Kleidung, die zusammen mit dem Verein Kulturersatz und INKOTA zur Butt-&-Better-Parade aufrufen. „Aber wir fordern auch die Entschädigung der Opfer und ihrer Angehörigen.“ Das sei bisher immer vernachlässigt worden.

Tatsächlich reagierten die deutschen und internationalen Textilfirmen erstaunlich schnell auf den Einsturz des Rana Plaza: Mitte Mai vereinbarten sie das „Abkommen zum Brand- und Gebäudeschutz in Bangladesch“. Ein besserer Arbeitsschutz wird versprochen, mit den Schwerpunkten Gesundheitsschutz, Gebäudeschutz und Brandschutz, einschließlich regelmäßiger unabhängiger Kontrollen und Mitarbeiterschulungen. Auch mehr Arbeiterrechte wurden angekündigt. Das zeigt: Ihr Image ist den Modekonzernen nicht gleichgültig. Öffentlicher Druck kann etwas bewirken.

Dass Ökologie, Nachhaltigkeit und faire Herstellung in der Modebranche immer wichtiger werden, zeigt sich auch bei der Fashion Week, die noch bis Sonntag in Berlin an verschiedenen Standorten stattfindet. „Eco Fashion“ ist prominent auf der Website präsentiert und gilt zusammen mit „Sustainable Design“ als Wachstumsbereich im internationalen Wettbewerb. Die Fashion Week erkennt an, dass immer mehr Konsumenten ein Bewusstsein für ökologisch und sozialverträglich gefertigte Produkte entwickeln – und reagiert darauf unter anderem mit einem Öko-Showroom mit 30 Kollektionen im Hotel Adlon und der Fachmesse Ethical Fashion Show mit 74 Labels im E-Werk: Öko ist angekommen im Herz des Modebusiness, scheint es.

Doch Berndt Hinzmann warnt vor zu viel Euphorie. „Manchmal ist das nur eine selbstgefällige Inszenierung.“ Man müsse genau hingucken: „Öko“ bedeute ja nicht, dass ein Kleidungsstück fair gehandelt sei oder bei der Herstellung Sozialstandards eingehalten würden. Und: „Nicht überall, wo ‚fair‘ draufsteht, wurde auch wirklich fair gehandelt.“ Nachfragen bei Händlern nach der Zertifizierung ihrer Waren ergaben oft ausweichende Antworten. Dabei hält Berndt Hinzmann von Zertifikaten sowieso nicht viel. Die werden meist alle paar Jahre vergeben, dann gibt es einen Daumen hoch oder runter – aber keine kontinuierliche Begleitung. Besser wären Verifizierungen, wie sie die Fair-Wear-Foundation vorschlägt: Die gesamte Herstellungskette von Textilien wird regelmäßig gecheckt, ob die Sozialstandards eingehalten werden, die Arbeiter_innen genug Geld verdienen und nachhaltig gewirtschaftet wird.

Die Demo-Parade am Samstag fragt aber auch grundsätzlich: Ist immer etwas Neues notwendig? Stattdessen könnte man auch Kleider tauschen, secondhand kaufen oder umnähen – „Upcycling“ heißt das im Fachjargon. Für die Parade bedeutet das: Trashion statt Fashion. „I’d rather go naked“ ist das Motto, die Demo-Teilnehmer_innen sollen alle Kleidung ausziehen, die nicht fair gehandelt ist – Mitmachen ist freiwillig. Viele Teilnehmer_innen reagieren darauf und tragen wilde Kostüme aus trashiger Ex-Mode, Gebrauchsgegenständen oder (vermeintlichem) Abfall. Letztes Jahr kam jemand nur mit Brot und Butter bekleidet, als Kommentar zum Messenamen „Bread & Butter“. Es wird also ein vielfältiger Protest, der da angekündigt ist: „Die Modeindustrie muss aufwachen – dafür wollen wir mit genug Bass, einem bunten Spektakel und deutlichen Worten sorgen!“

MALTE GÖBEL