EXPERIMENT MIT MENSCHEN
: Der Wetteinsatz

Schließlich kommt das Böse, statistisch gesehen, selten vor

Statt schwere Einkäufe herumzuschleppen, lasse ich sie bei Zwischenstopps gerne im Fahrradkorb liegen. Was aus Faulheit begann, ist mittlerweile zu einem veritablen Experiment geworden. Der Wetteinsatz wird bei jedem Stopp neu verhandelt: Was ist zu wertvoll, was kann riskiert werden? Besser die zur Hälfte ausgetrunkene Wasserflasche zuoberst hinlegen oder in einem der unattraktiv verfärbten Jutebeuteln verstecken? Im Idealfall sieht der Haufen nach vergessenem Müll und nicht nach kostbaren Einkäufen aus.

Gestern waren es ein schwerer Sack Kartoffeln, ein paar Liter Milch und eine Handvoll Wildkräutersalat. Es blieben auch schon – für den Kick – wertvolle Lieblingsbücher und bei heißem Sommerwetter ein großer Teil der Garderobe drin. Gerade liegen dort drüben im Fahrradkorb eine Packung Kopierpapier (durchaus nicht billig), eine Zeitung und Kosmetiktücher.

Für einmal, um diesen Zeilen hier mehr empirischen Gehalt zu geben, wird der Wetteinsatz überwacht und ist auch nicht versteckt. Tatsächlich schaut ihn niemand näher an.

Das Experiment ist eine Wette nur mit mir alleine, bei der es darum geht, mit möglichst hohem Einsatz sein Vertrauen in die Menschheit zu beweisen. Schließlich kommt das Böse im Menschen statistisch gesehen relativ selten vor – andererseits könnte das Fahrrad zur falschen Zeit am falschen Ort geparkt sein. Bislang habe ich die heimliche Wette gegen jeden Pessimisten gewonnen: es kam noch nie etwas weg. Wobei mir grundsätzlich noch nie etwas gestohlen wurde, trotz unverschämt sorglosen Momenten. Die vorläufige Quintessenz des Experiments lautet also: Man kann den Menschen mehr vertrauen, als man meinen könnte.

Außer bei Wassermelonen. So eine ließ mal jemand mitgehen. Allerdings deponierte ich sie vorübergehend im Treppenhaus, nicht im Fahrradkorb. GINA BUCHER