„Diese verzweifelte Heiterkeit“

Von der Temperatur der Schauspieler, dem Verstummen beim Theatertreffen und der Frage nach dem Dazwischen-Sein: Ein Gespräch mit dem Autor Händl Klaus, dessen Stück „Dunkel lockende Welt“ gerade an der Concordia Premiere feierte

Händl Klaus ist so höflich, wie man es den Österreichern nachsagt. Er verschenkt das Eiskonfekt, das man ihm zum Tee gebracht hat, bietet das eigene Aufnahmegerät als Ersatz an für das streikende Redaktionsexemplar und entschuldigt sich mehrfach für die seiner Ansicht nach unzureichenden Antworten.

taz: Heute Abend werden Sie in der Concordia bei der Premiere Ihres Stücks „Dunkel lockende Welt“ dabei sein. Das ist ehrenvoll für die Mitwirkenden, aber vermutlich auch beunruhigend.

Klaus: Ich bin ja schon von Probenbeginn an dabei. Ich sitze bei der Leseprobe, die natürlich immer irrsinnig ernüchternd ist.

Für den Autor?

Klaus: Nein, eher für die Schauspieler. Für mich ist sie eher überraschend. Ich hatte bisher immer das Glück, Auftragsarbeiten zu schreiben und wusste immer, für wen ich schreibe. Wenn ich das Theater nicht kenne, gehe ich vorher dorthin, sehe mir die Inszenierungen an, um das Ensemble kennen zu lernen. Ich brauche quasi Modelle zum Schreiben.

Schauspieler-Modelle?

Klaus: Ja. Ich möchte für jemanden schreiben, bei dem ich weiß, welche Temperatur er hat, wie die Stimme klingt, welche Musik die Stimme macht.

Von der „Temperatur“ eines Menschen hätte auch die Mutter in „Dunkel lockende Welt“ sprechen können. Für sie ist die Welt nur naturwissenschaftlich zu verstehen.

Klaus: Laut Wittgenstein sind ja die einzig sinnvollen Sätze die wissenschaftlichen. Ich bin wohl ein richtiger Schwamm: Mich interessiert einfach so vieles von der Musik bis zur Philosophie – und so verschlossen mir das auch auch bleiben mag: sogar Mathematik.

Ihre Texte wurden vielfach euphorisch begrüßt und 2003 wurden Sie zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Wie fühlt man sich als junger Autor zwischen all den Großen und Erfahrenen?

Klaus: Man schreit vor Freude. Alle rufen einander an und schreien vor Glück ins Telefon.

Und dann?

Klaus: Mein Stück „Wilde“ wurde sechsmal gespielt, dazu gab zwei Publikumsgespräche. Das ist eine Diskussion, vor der sich alle in die Hosen machen vor Angst, weil da offenbar so scharfe Fragen kommen. Ich bin da meistens stumm.

Stumm?

Klaus: Damals beim Theatertreffen war die erste Frage: „Das Stück handelt von einem Arzt ohne Grenzen, der mit seinen Ängsten konfrontiert wird. Welche Ängste hat denn der Autor persönlich?“ Darauf fiel mir nichts ein. Ich hätte sagen müssen: „Die Angst vor solchen Gesprächen“, aber so schlagfertig war ich gerade nicht.

In Ihren Stücken blitzt, anders als bei gerade viel gespielten Autoren wie Sarah Cane oder Jon Fosse, immer wieder so etwas wie absurde Komik auf. Fühlen Sie sich da einer anderen Tradition zugehörig?

Klaus: Es ist sicher die Elfriede Jelinek, die mir da am meisten bedeutet. Sie hat einen Humor, der ganz köstlich ist. Komischerweise versteht man ihn in Deutschland nicht so, wie er eigentlich wohl gemeint ist. Dieser verzweifelten Heiterkeit fühle ich mich verwandt. Einem Witz, der in den Abgrund oder in die dunkle Seite führt.

Die Ängste, von denen die Figuren in Ihren Stücken gequält werden, scheinen eher zeit- und ortlos zu sein.

Klaus: Mich treibt das „Dazwischen-Sein“ meiner Figuren um. Das finde ich heute wie gestern und morgen werde ich es auch wieder finden.

In dieser Stadt wird gerade viel über die Bedeutung von Theater diskutiert. Es scheint, dass viele nicht mehr sehen, warum die Öffentlichkeit für diesen Ort zahlen sollte.

Klaus: Ich weiß, was Theater auslösen kann. Ich habe es erlebt, an mir, an Jungen wie Alten. Theater ist eine homöopathische Medizin ist: Das wirkt im Kleinen, sehr fein. Aber es wirkt. Und das Theater ist der Ort, wo quasi viele Personen sich in eine Tradition von Fragen stellen. Und es sind nicht nur die paar Namen, die jetzt genannt werden: Man fängt an mit Caryl Churchill und dann ist man sofort bei Sophokles. Ich war vor Jahren am Wiener Schauspielhaus so etwas wie Kaffeekocher und habe da unendlich viele Stücke gelesen, die nie oder nur einmal gespielt wurden. Aber es ist dennoch wie ein Gewebe von Stimmen, die beunruhigen, verstören, etwas anreißen – und die man mitdenkt und die mit im Raum sind, sobald man ein Theater betritt.

Interview: Friederike Gräff