al forno
: In der Linkskurve

FRANK KETTERER beobachtet eine neue Wintersportdisziplin: Schneeketten-Shooting

Auf dem Weg zum Biathlon ist dann passiert, was man schon lange gefürchtet hatte, dass es früher oder später passieren würde: Aus dem grauen Himmel fielen dicke, weiße Flocken – und kurz hinter Cesana waren es dann wohl zu viele davon, jedenfalls kam der Verkehr am entscheidenden Anstieg zum Erliegen. Ganz vorn in der Stauschlange hatte ein Bus Probleme bekommen mit all den Schneeflocken, es folgten rund zehn Pkw, dann wieder ein Bus sowie rund ein weiteres Dutzend Autos. Wir saßen im dritten Bus, und als der Fahrer den Motor abstellte, seinen Anorak anzog, nach den Zigaretten kramte und ausstieg, da überkam uns zum ersten Mal die Ahnung, dass es unter Umständen etwas länger dauern könnte.

Draußen vor dem Bus stand also der Busfahrer und rauchte, drinnen im Bus wurde es spätestens nach der dritten Zigarette etwas unruhig. Schließlich war man nicht nach Cesana gefahren, um ein bisschen gemütlich im Bus zu sitzen, sondern dem Biathlonrennen beizuwohnen, das in knapp einer Stunde gestartet werden würde, so hatte der Auftrag der Redaktion gelautet.

Gute zwanzig Minuten später immerhin hatte sich die Situa tion deutlich verändert. Zwar stand der Busfahrer immer noch draußen und qualmte, in der Zwischenzeit aber hatte sich auch auf der Gegenfahrbahn ein Stau gebildet. Das war ungefähr der Moment, in dem es uns seltsam vorkam, dass auf dem ganzen Weg hier hoch noch nicht ein Streufahrzeug zu sehen war. Und es war der Zeitpunkt, als nebenan ein Japaner aus einem Fahrzeug kletterte und begann, Schneeketten aufzulegen – und zwar ganz japanisch. Zunächst zog er die Ketten auf, dann fotografierte er: erst die Ketten, dann das ganze Auto, schließlich auch noch den Stau. Der Kollege von der WAZ bemerkte: „Da planen die sieben Jahre die Spiele, und dann scheitert es an ein paar Räumfahrzeugen und an Schneeketten.“

Weitere zwanzig Minuten später schien es weiterzugehen, unser Busfahrer jedenfalls stieg ganz ohne Zigarette wieder ein, startete den Motor – und fuhr rund hundert Meter weiter. Dort kam der Bus erneut zum Stillstand, just neben einem der Plakate, mit denen hier für die Spiele geworben wird. „Passion lives here“ steht darauf, aber darauf sei jetzt besser nicht eingegangen. Dafür soll das erste Räumfahrzeug erwähnt werden, das zu sehen war. Auf der Gegenfahrbahn stand es mit all den anderen Fahrzeugen brav im Stau.

Nach noch mal fünfzehn Minuten hatte man sich auch daran satt gesehen. Immerhin schaltete der Busfahrer erneut seine Zigarette ab und den Motor an, tatsächlich ging es jetzt weiter. Die Uhr zeigte 12.30 Uhr, was bedeutete: Den Start des Frauenrennens hat man in einer Linkskurve erlebt.

Dann war man doch endlich angekommen in Cesana San Sicario, just in jenem Moment, in dem Kati Wilhelm ihr zweites Schießen beendet hatte. Sie lag in Führung. Und es war weit und breit kein Stau in Sicht, der sie noch hätte bremsen können.