Neue Verfassung für den Kongo

Präsident Joseph Kabila schafft die Voraussetzung für die Abhaltung freier Wahlen. Der Staatsakt wird skeptisch kommentiert, die Einhaltung der Frist ist unwahrscheinlich

Eine Kuriosität der Verfassung ist, dass sie die bisherige Landesflagge abschafft

BERLIN taz ■ Die Demokratische Republik Kongo hat eine demokratische Verfassung bekommen. Mit einem Staatsakt im Beisein zahlreicher internationaler Staatsgäste setzte Präsident Joseph Kabila am Samstag in der Hauptstadt Kinshasa die neue Verfassung in Kraft, die die 60 Millionen Kongolesen im Dezember 2005 per Volksabstimmung angenommen hatten. Damit werden freie Wahlen möglich, um die amtierende Allparteienregierung der kongolesischen Warlords ablösen zu können.

Kabila hatte die Inkraftsetzung der Verfassung in den letzten Wochen bereits zweimal verschoben, ohne Angabe von Gründen. Seit dem Referendum vom Dezember sind nun zwei Monate verstrichen. Jetzt bleiben nur noch viereinhalb Monate, bis die in Kongos Friedensverträgen auf den 30. Juni 2006 begrenzte Amtszeit der Allparteienregierung ausläuft. Kaum noch jemand glaubt, dass die geplanten Wahlen bis dahin stattfinden werden, denn nun müssen zunächst die Wahlgesetze verabschiedet werden, bevor die Phase der Wahlvorbereitung beginnt. Die neue Verfassung legt zwar in Artikel 222 fest, dass die bestehenden Institutionen des Kongo weiterarbeiten, bis die gewählten Nachfolger existieren. Aber es ist unklar, ob damit die in den Friedensverträgen gesetzten Fristen aufgehoben sind.

Eine Kuriosität der neuen Verfassung ist, dass sie die bisherige Landesflagge des Kongo abschafft, die seit dem Sturz des Diktators Mobutu durch Laurent-Désiré Kabila 1997 und der Umbenennung Zaires in Demokratische Republik Kongo galt. Auf ihr prangen sieben gelbe Sterne auf hellblauem Grund. Von jetzt an hat das Land die Fahne der einstigen proruandischen RCD-Rebellen (Kongolesische Sammlung für Demokratie) aus dem Ostkongo: einen gelben Stern und einen roten, gelb umrandeten Diagonalstreifen auf dunkelblauem Grund. Die so genannte Flagge von Luluabourg war 1964 eingeführt worden, als der Kongo sich eine föderale Verfassung mit autonomen Provinzregierungen gab – nach Mobutus Militärputsch 1965 wurde das wieder abgeschafft.

Später war diese Flagge ein Symbol des zivilen Widerstands gegen die Mobutu-Diktatur. Während des Kongokrieges wurde sie von den Rebellen gegen Kabila übernommen, was ihr unter der nationalistischen Jugend des Landes den Ruf einer Verräterflagge eintrug. Paradox dabei ist, dass die neue Verfassung explizit den Föderalismus ablehnt, für den diese Flagge eigentlich steht.

Die Konfusion um das Symbol illustriert die Ambivalenz der kongolesischen Demokratisierung, in der mutmaßliche Kriegsverbrecher auf Stimmenfang gehen werden. Passend dazu überwog sm feierlichen Tag die Skepsis. „Renaissance ohne Zukunft“ titelte Kongos einflussreichste Tageszeitung Le Potentiel am Samstag. Das internationale Komitee, das Kongos Friedensprozess überwacht (Ciat – Internationales Komitee zur Begleitung des Übergangsprozesses) lobte den Staatsakt in einer Erklärung als „entscheidenden Schritt“, äußerte jedoch zugleich deutliche Zweifel. Die Ciat-Erklärung enthält einen „dringenden Appell an alle Institutionen und politischen Führer, Verantwortung zu übernehmen“, damit die Wahlen sich nicht weiter verzögern. Sie ruft zur „Installation von Vertrauen, Gelassenheit und Versöhnung“ im Kongo auf – eine Art, zu sagen, dass diese Grundbedingungen für eine friedliche Wahl derzeit nicht gegeben sind. Vor diesem Hintergrund berät am morgigen Dienstag das Sicherheitspolitische Komitee der EU erneut in Brüssel über eine Truppenentsendung in den Kongo zur Absicherung der Wahlen. DOMINIC JOHNSON