Plutonium auf dem Sportplatz

Mitten auf dem Universitätsgelände in Madrid traten jetzt Reste aus Francos Atom-Programm ans Licht. Die Behörden schließen „weitere Überraschungen“ nicht aus

„Keiner weiß so genau, was hier gemacht wurde“, heißt es beim Atomsicherheitsrat

MADRID taz ■ Auf einem Spielplatz und einem Fußballfeld in der spanischen Hauptstadt Madrid wurden Spuren von Plutonium 239 und Americium 241 gefunden. Die hochradioaktiven Substanzen liegen im Boden, zwischen 20 Zentimetern und zwei Metern unter der Oberfläche. Das betroffene Grundstück liegt mitten auf dem Universitätsgelände nahe dem Atomforschungszentrum Ciemat.

„Keiner weiß so genau, was hier gemacht wurde“, zeigt sich ein Sprecher des Nationalen Atomsicherheitsrats (CSN) angesichts der radioaktiven Funde überrascht. Die Sondierungen, bei denen die radioaktiven Substanzen gefunden wurden, geschahen im Rahmen einer Dekontaminierung mit dem Ziel, Teile des Ciemat-Geländes anderen Zwecken zuzuführen. Das CSN schließt „weitere Überraschungen in der Gegend“ nicht aus.

Das heutige Ciemat wurde 1951 von Diktator Francisco Franco unter dem Namen Junta für Nuklearenergie (JNE) eröffnet. Jahrzehntelang ließ der General seine Wissenschaftler nach der Atombombe forschen. Auf dem Gelände wurde ein Atomreaktor errichtet. Als Testgelände für einen ersten Sprengsatz war die damalige spanische Kolonie Westsahara vorgesehen. Doch laut dem Sicherheitsrat CSN soll es so weit nicht gekommen sein. Als die Spanier die Bombentechnologie endlich hatten, war Franco bereits tot. Die USA drängte Madrid zur Aufgabe der Bombenpläne und zur Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrags.

Anders als der CSN hat Bruno Estrada, Sprecher der Grünen in Madrid, sehr wohl Informationen, woher die Verseuchung kommt. „Zum einen gab es einen Unfall im Jahr 1970, bei dem größere Mengen radioaktives Wasser austraten, zum anderen wurden in den 60er- und 70er-Jahren an mindestens 20 Stellen auf dem Ciemat-Gelände radioaktive Abfälle vergraben.“ Die Funde auf dem Sportplatz könnten daher rühren.

In den umliegenden Universitätseinrichtungen sind die Studenten und das Personal sehr beunruhigt. In nächster Nähe des Sportplatzes befindet sich der Lehrstuhl für Telekommunikation. „Hier soll es, so die Angestellten, mehrere Fälle von Leukämie gegeben haben“, erklärt der Umweltpolitische Sprecher der Gewerkschaft CCOO, Luis Cuena. Er fordert ein entsprechendes epidemiologisches Gutachten. Auch müsse untersucht werden, ob die Stoffe ins Grund- und ins Abwasser gelangt seien.

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