Der Putschist

Die Tabaklobby mag unser Porträt Udo Di Fabios nicht: Es sei „durchaus unterhaltsam geschrieben, entspricht leider nur am Rande den Tatsachen, wobei der Informationsgehalt des Artikels für den ‚neutralen‘ Leser durchaus steigerungsfähig ist“, schreibt uns der Verband der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR). Am letzten Samstag hatten wir hier den früheren Verfassungsrichter Di Fabio vorgestellt, der mit seiner Arbeit für den VdR eine Art Gazprom-Gerd der Juristen gibt.

Die Tabaklobby nervt ein bisschen, aber sie schickt anders als Abdel Fattah al-Sisi (Foto) zumindest keine Panzer. Am Mittwoch setzte der Oberbefehlshaber der ägyptischen Streitkräfte Präsident Mursi ab. Sein Militär kontrolliert wesentliche Teile der ägyptischen Wirtschaft. Zum Vergleich möge man sich vorstellen, die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die Mutter aller deutschen Lobbyorganisationen, könnte notfalls mit Maschinengewehren drohen.

Kairo wirkte am Mittwoch wie eine Erinnerung ans 20. Jahrhundert, als Linke in (vornehmlich leninistischen) Revolutionen dachten und Rechte sich offenhielten, Regierungen, die ihnen nicht passten, mit Panzern aus dem Amt zu fegen: in Chile, wo der US-Konzern ITT die Aktivitäten gegen Salvador Allende mitfinanziert hatte; in Brasilien, Argentinien, Guatemala, Spanien, Griechenland, Iran, der Türkei. Kairo 2013 war die seltsame Mischung aus Revolution und Putsch.

Ja, sie sind ein Ärgernis, die Beschwerdebriefe, Gutachtenschlachten, Firmenmitarbeiter in Ministerien und Schmiergelder der Lobbys. Aber sie sind auch der Preis, den wir für die Zivilisierung von Konflikten zahlen. Die Zeit des bewaffneten Lobbyismus ist vorbei. Wenn auch nur in Europa und Lateinamerika. MARTIN REEH