REGENZEIT IN WESTAFRIKA
: Trocken dank Voodoo

VON KATRIN GÄNSLER

Jeden Morgen derselbe skeptische Blick gen Himmel. Hat es gerade geregnet oder wird es am Vormittag regnen? Und wenn ja, wie viel? Welche Straßen werden wieder überflutet sein? In Cotonou ist das im Moment eine berechtigte Frage. Es ist Regenzeit in Benin. Im Moment ist es zwar nicht mehr so feucht wie üblich. Aber man weiß ja nie. Denn vorüber ist die unangenehmste Jahreszeit an der westafrikanischen Küste noch längst nicht.

Eine Nacht, in der es mal kräftig durchprasselt, reicht, und schon verwandeln sich alle nicht asphaltierten Straßen in Schlammlöcher. Wirtschaftszentrum von Benin mit einem der wichtigsten Häfen Westafrikas hin oder her: Die allermeisten Straßen sind nur Sandpisten, und ohne einen guten Geländewagen bleibt man lieber ganz zu Hause. Die Gefahr, in einem plötzlich auftauchenden Minitümpel stecken zu bleiben, ist einfach zu groß.

Noch ärgerlicher ist der Regen jedoch bei von langer Hand geplanten Großveranstaltungen. Egal ob Sportclub oder Schule: Sie finden ausgerechnet in dieser Jahreszeit statt. Dann ist das Schuljahr fast vorbei, der Urlaub steht bevor, und jeder ist in Feierlaune.

Um das einigermaßen trocken zu überstehen, hilft kein Wetterbericht oder Meteorologe, sondern der sogenannte Fetischeur. Das ist jemand mit magischen Kräften, manchmal wird er Priester genannt oder abfällig auch Hexendoktor.

In Benin gibt es viele von ihnen. Denn in wohl kaum einem anderen Land leben alte und für Afrika doch noch recht neue Religionen so dicht nebeneinander. 25 Prozent der Einwohner sind Mitglieder der katholischen Kirche, weitere 25 Prozent gehören dem Islam an, und knappe 20 Prozent sind Anhänger des Voodoo, jenes alten Glaubens, der ein wenig der germanischen oder griechischen Götterwelt ähnelt. Häufig gibt es den Glaubens-Mix: Am Sonntagmorgen in die Kirche und bei besonderen Anlässen zum Voodoo-Priester oder Fetischeur – etwa dann, wenn es am Wochenende auf gar keinen Fall regnen darf.

Was genau passiert und wer der Fetischeur tatsächlich ist, bleibt eine geheime Angelegenheit. Gerade gegenüber Europäern hält man sich zurück.

Nur so viel: Am Rande des Veranstaltungsortes brennt einen Tag vorher ein unscheinbares, kleines Feuer. Das scheint zu reichen: Zwei Tage lang bleibt der Regen aus, obwohl der Himmel wolkenverhangen ist. Aber die ersten Tropfen fallen erst, als sich die letzten Gäste auf den Heimweg machen. Die Veranstaltung ist geglückt, und der Fetischeur hat offenbar ganze Arbeit geleistet, auch wenn niemand weiß, was ohne Feuer und Zeremonie passiert wäre.

So sieht es auch Brigitte. Sie ist Beninerin und gläubige Katholikin. Schon die kleinste Anspielung auf Voodoo lässt sie ungläubig den Mund verziehen. Das ganze Gesicht legt sich in Falten, wenn sie kleine Mitbringsel aus der Fetisch-Abteilung des Wochenmarktes sieht. Etwa diese harmlose Tonfigur mit drei kleinen Hühnerfedern auf dem Kopf. Nein, sie treibt keinen Schabernack und beschwört keine bösen Geister herbei. Sie steht nur neben der Eingangstür, um die Wohnung vor Einbrechern zu schützen. Am besten soll sie funktionieren, wenn man ihr ab und zu Limo hinstellt. Doch Brigitte will das nicht glauben: „Das ist nicht gut und richtig“, sagt sie.

Nur bei Regen ändert sich ihre Meinung. Brigitte hasst ihn, wenn sie sich auf einem Moped-Taxi durch die Schlammstraßen quälen muss, notdürftig mit einem flatternden Regencape bekleidet und eine alte Plastiktüte auf dem Kopf. Das soll den größten Schaden abhalten. Doch meistens dauert es nur wenige Minuten und man ist trotzdem nass. An so einem Vormittag denkt sie an unseren Fetischeur zurück. Schade, dass er den Regen nicht für drei Monate abstellen kann.