Neuköllner Grüne gehen in die Offensive

BÜNDNIS Nach den Anschlägen gegen linke Projekte und Grüne haben sich die Betroffenen ausgetauscht

„Wir dürfen nicht zulassen, dass hier ein Klima der Angst entsteht“

Jochen Biedermann, Grüne

Im Norden Neuköllns kämpfen einige linke Läden mit den Folgen der Anschläge aus den letzten Monaten. Organisationen wie der Freundschaftsverein Salvador Allende müssen hohe Rechnungen begleichen, nachdem wiederholt Scheiben eingeworfen und Schlösser verklebt worden waren (taz berichtete). Am Mittwochabend hat die Bezirksgruppe der Grünen nun zu einem Vernetzungstreffen für Anwohner und Betroffene geladen – zu dem außer den betroffenen Einrichtungen nur eine Anwohnerin kam.

Die Anschläge der letzten Monate bewegen den Neuköllner Körnerkiez und die Bezirksverwaltung. Das Bündnis von SPD, Grünen und Linken stritt sich, ob die Nazi-Anschläge mit linksradikaler Gewalt gleichzusetzen seien. Die Zählgemeinschaft der drei Parteien war am Montag an der Debatte zerbrochen, weil sich SPD und Grüne nicht über eine Resolution gegen Gewalt im Bezirk hatten einigen können. Durch den Wegfall der Grünen, deren Geschäftsstelle ebenfalls mit Nazi-Sprüchen beschmiert worden war, aus der Zählgemeinschaft verkompliziert sich die Bezirkspolitik. SPD und Linke verfügen nun nur noch über 24 der 53 Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung.

„Ich habe kein Verständnis für Gewalt – egal ob von rechts oder links“, sagte Fraktionsmitglied Jochen Biedermann beim Vernetzungstreffen der Grünen am Mittwoch, an dem etwa 20 Menschen teilnahmen. Bei aller Diskussion um linke Radikale: Rechte Gewalt sei in Neukölln das größere Problem. „Wir dürfen nicht zulassen, dass ein Klima der Angst entsteht“, sagte Biedermann.

Dass die Anschläge der letzten Monate ausschließlich von Nazis ausgingen, könne man natürlich nicht nachweisen. „Wenn wie bei unserer Bezirksstelle ‚Dresden 45 unvergessen‘ auf den Rollläden steht, ist die Sache natürlich klar“, erklärte er. „Und auf den zerworfenen Scheiben des Salvador Allende Vereins klebten beim ersten Mal auch NPD-Sticker.“ In den anderen Fällen im Kiez zeige vor allem der Kontext, dass es sich um die gleiche Gewaltquelle handele. Deshalb sei es wichtig, die Anwohner zu sensibilisieren und den Betroffenen zu helfen.

Bisher waren Versuche des Salvador Allende Vereins, die Anwohner gegen die Anschläge zu solidarisieren, auf wenig Erfolg gestoßen, trotz vieler Flyer. Und obwohl die Grünen für ihr Vernetzungstreffen schriftlich eingeladen hatten, kam nur eine einzige Anwohnerin.

Dass die Angst bei den betroffenen Läden groß ist, zeigte die Veranstaltung der Grünen. „Man sitzt abends mit einem anderen Gefühl in seinem Laden, wenn man an die Anschläge denkt“, sagte eine betroffene Galeristin. Die Teilnehmer des Treffens machten klar, dass sie sich im Kiez alleingelassen fühlten und die gegenseitige Hilfe deshalb begrüßten. „Gemeinsam lassen wir uns nicht einschüchtern“, war der Tenor des Abends.

Geplant ist nun ein von der Vereinigung „Neukölln gegen Nazis“ initiiertes Projekt, bei dem Läden und Anwohner Wimpel mit einem Kaktus-Motiv als „Zeichen gegen rechts“ aufhängen sollen. Am Samstag, den 20. März, organisieren betroffene Läden einen „Langen Tag gegen Neonazis“, bei dem es unter anderem Filme und Ausstellungen gibt. Einmal im Monat trifft sich das „Bündnis Neukölln“ zur Vernetzung aller Ideen bei der Arbeiterwohlfahrt in der Erkstraße 1. Nächster Termin: 7. April, 18.30 Uhr Sebastian Kempkens