BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER
: Nicht wie gestylte Hühner auf Metallstühlen

Jan Feddersens Gastro-Kritik: Das Kaffeehaus Reza in Schöneberg ist eine neue Bar im Winterfeldt-Kiez – und vielleicht die beste

Neulich wurde ja im alten Metropol (David Bowie!, Iggy Pop!, Ulla Meinecke!) eine Vergnügungsstätte für Menschen eröffnet, die sich weder Techno noch Rock, weder Jung noch Ganzalt aussetzen wollen: das Goya. Es bleibt ein Risiko, ob ihr Behauptungswillen mehr als eine These auf das Gute, Schöne, Wahre bleibt.

Jedenfalls ist die Gegend gar nicht so tot, das Motzstraßendreieck, wo sich Schwule und Lesben platzgreifend behaupten. In der Maaßenstraße, gleich am Anfang des Winterfeldtkiezes, hat Anfang des Jahres eine Bar aufgemacht. Sie liegt, mit der Straße als Trenngraben, genau gegenüber vom umsatzkräftigsten Haus, dem Berio.

Das ist ein Haus, das in gewisser Weise eine Zeit lang darunter litt, dass dort der Politiker Guido Westerwelle verkehrte. Mittlerweile ist es wieder ein Café geworden, in dem Rosa von Praunheim der Zeit der Subversion nachtrauert („Hatten wir früher nicht echtere Gefühle?“) wie auch liberale Zirkel Beerentorte mit Magermilchboden zu sich nehmen.

Das Reza hat all die Nachteile des Berio nicht: Man sitzt dort nicht wie gestylte Hühner auf Metallstühlen, die blaue Flecken hinterlassen, man ist überhaupt nicht darauf aus, dass das Publikum sich vor allem nach außen spiegelt.

Das Reza, durch die Besitzer mit iranischer Prägung versehen, ist eine feine Loungebar, die auf Kaffee hält, man brüht und presst mit Einsteinkaffee. An den Wänden, im dunkelroten Ambiente, hängen Bilder von Prominenten. Der Raum wirkt kuschelig, ohne allzu sehr Gemütlichkeit zu verströmen. Der Service ist umsichtig, erstklassig, die Bänke und Stühle leicht gepolstert – und die Kleinigkeiten, die man selbst nachts noch erfolgreich bestellen kann, sind genau das, was man braucht: ein Überbrücker bis zum nächsten größeren Essen.

Die Musik lebt von gehobenem Easy Listening, neulich lief zur Freude vieler Gäste Madonnas „Hung up!“, darauf dann ein Buddha-Mix … Man kommt zusammen – und Inhaber Ufuk Erol hat sie alle freundlich im Blick.

Angeblich soll Politik das erste Thema sein, aber davon haben wir Gott sei Dank nichts gespürt, außer dass am Nebentisch ein properer Mann seinem Gegenüber die Raffinessen des Ausländerrechts erklärte: Ach so geht das, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten!

Also: Das Reza ist vielleicht die beste Bar im Viertel. Man hat Grund, sich an sich selbst zu freuen: Dienstleistung ist, wenn die Gäste gerne wiederkommen. Das Berio wirkt dagegen etwas gestrig – ja, zu hell, zu offensichtlich. Im Reza hat man genug Raum, Lektüren nachzuhängen. Eine späte Entdeckung!

CAFEBAR REZA, Maaßenstr. 4, 10777 Berlin, U-Bahn Nollendorfplatz, Telefon: (030) 21 91 23 04. Täglich von 9 bis 3 Uhr; Kaffee ab 1,50 Euro, alles weitere ab 2 Euro; Frühstück ab 3,50 Euro, Kleinigkeiten auch am Abend ab 4 Euro